Mittwoch, 24. April 2024

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Aufhebungsvertrag revisited

Pünktlich zum Beginn des neuen Jahres ist die Neuauflage eines arbeitsrechtlichen Formularbuchs erschienen, welches ich ganz gut finde. Dann wollen wir uns doch einmal ansehen, was die Kollegen (m/w) da so zum Klassikerthema „Aufhebungsvertrag“ schreiben – und das Ganze natürlich auch noch etwas mit eigenen anwaltlichen Erfahrungen anreichern.

Das Jahresende ist ja häufig auch der Zeitpunkt, zu dem manche Arbeitgeber gerne das eine oder andere Arbeitsverhältnis beenden oder die Beendigung zumindest vertragsmäßig unter Dach und Fach bringen möchten. Damit die Abfindung „budgetmäßig noch ins alte Jahr passt“, wie es manchmal entschuldigend heißt.

Welche „spannenden“ Aspekte, Tricks und/oder Überraschungen kann so ein Aufhebungsvertrag enthalten? Das kennen Sie ja vielleicht: Da ist man sich eigentlich schon einig, oder glaubt es zumindest, und dann wird einem von der Gegenseite ein Aufhebungsvertrag („unser übliches Muster„) vorgelegt, der eine Reihe (unangenehmer) Überraschungen bietet.

Es geht eben bei einem Aufhebungsvertrag nicht nur um den Beendigungszeitpunkt und die Höhe der Abfindung, sondern da steckt schon noch ein bisschen mehr drin bzw. dahinter.

Also auf geht’s! Schaun wir uns die verschiedenen Regelungspunkte in einem Aufhebungsvertrag – bzw einige davon, und was es da sonst noch so dazu zu sagen gibt – einmal etwas genauer an.

1. Gebot fairen Verhandelns

a) Aufhebungsverträge sind nichtig, wenn sie gegen die guten Sitten verstoßen (§ 138 BGB). Außerdem können Aufhebungsverträge – wie alle anderen Verträge auch – gemäß § 123 BGB wegen arglistiger Täuschung oder widerrechtlicher Drohung angefochten werden. Das ist nichts Neues.

b) Relativ neu dagegen ist, was das Bundesarbeitsgericht im Jahr 2019 „erfunden“ hat, dass nämlich auch ein Verstoß gegen das Gebot fairen Verhandelns zur Unwirksamkeit des Aufhebungsvertrages führen kann.

Ein typisches Beispiel dafür ist, wenn der Arbeitnehmer beim Abschluss des Aufhebungsvertrages vom Arbeitgeber „überrumpelt“ wurde. Das kann der Fall sein, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer in dessen Wohnung oder sogar im Krankenhaus besucht („heimsucht“) und ihn dabei ohne Gewährung einer Bedenkzeit zum Abschluss eines Aufhebungsvertrages „überredet“.

Anders ausgedrückt, „wenn eine psychische Drucksituation geschaffen oder ausgenutzt wird, die eine freie und überlegte Entscheidung des Vertragspartners erheblich erschwert oder sogar unmöglich macht“.

c) Die genauen Konturen des Gebots fairen Verhandelns müssen von der Rechtsprechung noch herausgearbeitet bzw verfeinert werden. Dieses neue „Schlagwort“ gibt dem Arbeitnehmer aber zumindest einen Ansatz, wenn er sich im Nachhinein von einem unüberlegt abgeschlossenen Aufhebungsvertrag wieder lösen möchte.

d) Arbeitgebern ist daher in jedem Fall anzuraten, dem Arbeitnehmer vor Unterzeichnung eines Aufhebungsvertrages ausreichend Bedenkzeit zu geben und den Aufhebungsvertrag nicht in der Wohnung des Arbeitnehmers oder gar am Krankenbett abzuschließen.

2. AGB-Kontrolle

Bei Aufhebungsverträgen kann es sich durchaus um Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne der §§ 305 ff BGB handeln. Als solche unterliegen sie dann einer gesetzlichen Inhaltskontrolle.

a) Die konkreten Klauselverbote der §§ 308 und 309 BGB sind zwar in aller Regel nicht einschlägig, dafür aber die allgemeine Inhaltskontrolle des § 307 BGB. Danach sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, und eben auch in einem Aufhebungsvertrag, unwirksam, wenn sie den Vertragspartner entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen.

Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist. Im Zweifel liegt eine unangemessene Benachteiligung vor, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der sie abweicht, nicht zu vereinbaren ist.

b) Nicht Vertragsbestandteil werden im übrigen überraschende und mehrdeutige Klauseln im Sinne von § 305c BGB.

c) Auch unter dem Gesichtspunkt der AGB-Kontrolle können sich daher im Einzelfall einmal Ansatzpunkte für eine „Nachverhandlung“ eines Aufhebungsvertrages ergeben.

3. Freistellung

Zwischen dem Zeitpunkt des Abschlusses des Aufhebungsvertrages und der tatsächlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses liegen häufig mehrere Monate. Da kann es durchaus im Interesse beider Vertragsparteien liegen, den Arbeitnehmer in der Zwischenzeit – unter Fortzahlung der Vergütung – von der weiteren Arbeitsleistung freizustellen.

a) Nur bei einer unwiderruflichen Freistellung kann vereinbart werden, dass die Urlaubsansprüche des Arbeitnehmers darauf angerechnet werden.

In diesem Zusammenhang findet man in Aufhebungsverträgen manchmal die Regelung, dass die Freistellung zunächst unwiderruflich unter Anrechnung sämtlicher Urlaubsansprüche erfolgt und im Anschluss daran widerruflich sein soll. Für den Arbeitgeber ist das sicher von Vorteil, da er den Arbeitnehmer dann wieder zur Arbeitsleistung heranziehen kann. Für den Arbeitnehmer dagegen wird eine solche Regelung häufig inakzeptabel sein. Wenn man sich einmal gedanklich aus dem Beschäftigungsverhältnis verabschiedet hat, dann will man natürlich nach Verbrauch des Urlaubsanspruchs nicht mehr an den Arbeitsplatz zurückkehren.

b) Während der Dauer der Freistellung besteht das Arbeitsverhältnis als sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis fort. Dies gilt unabhängig davon, ob die Freistellung widerruflich oder unwiderruflich ist. Eine Zeit lang hatte hier eine Entscheidung des Bundessozialgerichts einmal für Verunsicherung gesorgt, aber dieses Problem ist mittlerweile vom Tisch. Auch während der unwiderruflichen Freistellung besteht ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis.

4. Abfindung und Besteuerung

Normalerweise bin ich ja der Meinung, dass sich Anwälte, sofern sie keine Fachanwälte für Steuerrecht sind, aus der steuerlichen Beratung tunlichst heraushalten sollten. Wir wollen ja auch nicht, dass die Steuerberater in der Vertragsgestaltung herumpfuschen und Rechtsberatung betreiben. Trotzdem sollte man als Arbeitsrechtler zumindest die Grundzüge der Besteuerung von Abfindungszahlungen kennen.

a) Abfindungen können gemäß den §§ 24 und 34 Einkommensteuergesetz steuerbegünstigt sein. Das setzt voraus, dass es sich dabei um eine Entschädigung handelt, die als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen oder für die Aufgabe oder Nichtausübung einer Tätigkeit gewährt wird (§ 24 EStG).

Die Beendigung der Beschäftigung muss vom Arbeitgeber veranlasst sein, um die Steuerbegünstigung zu ermöglichen.

b) In diesem Fall gilt dann für die Besteuerung die sogenannte Fünftelungsregel des § 34 EStG. Das heißt nun nicht, dass die Abfindung auf 5 Jahre verteilt versteuert wird, sondern die Steuer wird schon tatsächlich in dem Jahr abgezogen, in dem die Abfindung bezahlt wird. Aber für die Berechnung dieser Steuer wird – wenn ich es richtig verstehe – gewissermaßen fingiert, dass dem Steuerpflichtigen die Abfindung über einen Zeitraum von 5 Jahren gestreckt zufließt. Die genauen Einzelheiten zur Berechnung hängen von den individuellen Einkommensverhältnissen ab und sollten sinnvoller Weise mit einem Steuerberater besprochen werden.

c) Wichtig ist vielleicht noch folgendes: Die Fünftelungsregel setzt voraus, dass dem Arbeitnehmer die Abfindung (bzw. mindestens 90 % davon) in ein und demselben Veranlagungszeitraum, also in dem selben Jahr zufließt. Die Regelung gilt also nicht, wenn im Aufhebungsvertrag vereinbart wird, dass die Abfindung über mehrere Jahre verteilt jeweils in Raten ausbezahlt wird. Wobei auch eine solche Gestaltung im Einzelfall für den Arbeitnehmer steuerlich günstiger sein kann.

5. Vererblichkeit der Abfindung

Was passiert eigentlich, wenn der Arbeitnehmer zwischen dem Zeitpunkt des Abschlusses des Aufhebungsvertrages und der Fälligkeit der Abfindung (regelmäßig erst zum Beendigungszeitpunkt) verstirbt? Die Abfindung, also das Geld, hat er ja noch nicht erhalten. Geht der Abfindungsanspruch dann auf seine Erben über?

Das ist eine Auslegungsfrage und somit problematisch. Es empfiehlt sich daher, in den Aufhebungsvertrag ausdrücklich eine Klausel aufzunehmen, dass die Abfindung schon mit Abschluss des Aufhebungsvertrages entsteht und damit vererblich ist. Der Arbeitnehmer selber hat dann zwar auch nichts mehr davon, aber doch zumindest seine Erben.

6. Wegfall der Abfindung

Manche Aufhebungsverträge enthalten Klauseln, wonach der Arbeitnehmer die vereinbarte Abfindung in bestimmten Fällen dann doch nicht oder noch nicht bekommt. Beispiele:

– Wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis bis zum Beendigungszeitpunkt aus wichtigem Grund fristlos oder verhaltensbedingt ordentlich kündigt

– Wenn der Arbeitnehmer einen neuen Job im Konzern des Arbeitgebers annimmt

Oder gar: Wenn der Arbeitnehmer innerhalb von 6 Monaten nach dem Beendigungszeitpunkt (irgend-)ein neues Arbeitsverhältnis eingeht – also das erscheint mir schon krass!

Und: Nicht vor Erfüllung aller Herausgabe- bzw. Rückgabepflichten (Firmenunterlagen, ggf Dienstwagen usw).

Als Vertreter des Arbeitnehmers sollte man da sehr vorsichtig sein, ob man sich auf solche Regelungen einlässt.

7. Ruhens- und Sperrzeiten beim Arbeitslosengeld

Um zu vermeiden, dass das Arbeitslosengeld ruht bzw dass sogar eine Sperrzeit eintritt, sind folgende Aspekte zu beachten:

a) Gemäß § 158 SGB III ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld, wenn das Arbeitsverhältnis aufgrund des Aufhebungsvertrages vor dem Datum beendet wird, zu dem es unter Einhaltung der vertraglichen, tariflichen und/oder gesetzlichen Kündigungsfrist hätte ordentlich gekündigt werden können. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Arbeitslose wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung erhält. Die näheren Einzelheiten ergeben sich aus § 158 SGB III. Achtung bei tariflicher Unkündbarkeit!

b) Außerdem kommt es regelmäßig zu einer Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe (§159 SGB III), wenn ein Aufhebungsvertrag abgeschlossen wird. Diese Sperrzeit beträgt 12 Wochen, also 3 Monate. Das ist zumindest der Grundsatz. Sie kann sich gemäß § 159 Abs. 3 SGB III unter den dort genannten Voraussetzungen verkürzen. Wichtig für ältere Arbeitnehmer (ab 50): Gemäß § 148 Abs. 1 Nummer 4 SGB III beträgt die Minderung der Anspruchsdauer mindestens ein Viertel der Anspruchsdauer, die dem Arbeitslosen (m/w) zusteht. Bei 24 Monaten ALG sind das 6 Monate!

c) Zu einer Sperrzeit wegen Arbeitsplatzaufgabe kommt es in der Regel nicht, wenn der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine betriebsbedingte Arbeitgeberkündigung vorausgeht und die Parteien dann im Gütetermin vor dem Arbeitsgericht einen Vergleich schließen. Allerdings darf es sich dabei nicht um ein Umgehungsgeschäft handeln.

d) Gegebenenfalls lässt sich auch bei Abschluss eines Aufhebungsvertrages außerhalb eines arbeitsgerichtlichen Verfahrens eine Sperrzeit vermeiden. Dies ist jedoch schwierig. Es würde voraussetzen, dass der Arbeitnehmer einen wichtigen Grund für die Auflösung des Beschäftigungsverhältnisses hatte. Als Vorraussetzungen werden in diesem Zusammenhang häufig kumulativ genannt:

– wenn eine Kündigung durch den Arbeitgeber mit Bestimmtheit in Aussicht gestellt worden ist,

– die drohende Arbeitgeberkündigung auf betriebliche Gründe gestützt wird,

– die Arbeitgeberkündigung zu demselben Zeitpunkt (oder früher) wirksam geworden wäre, zu dem das Beschäftigungsverhältnis aufgrund des Aufhebungsvertrages geendet hat, wenn also die Kündigungsfrist eingehalten wurde,

– der Arbeitnehmer nicht unkündbar war und

– der Arbeitnehmer Gründe darlegt, aus denen er objektiv Nachteile aus einer arbeitgeberseitigen Kündigung (zB für sein berufliches Fortkommen) befürchten musste.

Mit anderen Worten: Wenn er praktisch keine vernünftige Alternative zum Abschluss eines Aufhebungsvertrages hatte. Aber so etwas nachzuweisen, ist natürlich schwierig und mit Unsicherheiten verbunden.

8. Betriebliche Altersversorgung

Sicher nicht das beliebteste Thema, weil regelmäßig weder die Verhandlungsführer auf Arbeigeberseite noch der Arbeitnehmer (und sein Anwalt) sehr viel davon verstehen.

Wichtig ist zu klären, ob die bereits erworbenen Anwartschaften unverfallbar sind (siehe hierzu § 1b BetrAVG). In diesem Zusammenhang besteht eine Auskunftspflicht des Arbeitgebers gemäß § 4a BetrAVG.

Die Auskunft muss verständlich, in Textform und in angemessener Frist erteilt werden (§ 4a Absatz 4 BetrAVG). Aus Sicht des Arbeitnehmers am besten, bevor er, also der Arbeitnehmer, einen Aufhebungsvertrag unterschreibt.

9. Kostenerstattung

a) Arbeitnehmer sind häufig rechtsschutzversichert. Erhalten sie eine Kündigung, dann übernimmt die Rechtsschutzversicherung regelmäßig die Kosten für das Kündigungsschutzverfahren vor dem Arbeitsgericht.

Einigen sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber dagegen, in der Regel nach langwierigen Verhandlungen, auf einen Aufhebungsvertrag, ohne dass dem eine Kündigung vorausgegangen ist, sehen Rechtsschutzversicherungen häufig entweder überhaupt keinen Rechtsschutzfall als gegeben an oder wollen nur die Kosten für eine außergerichtliche Beratung erstatten. In diesem Fall bleibt der Arbeitnehmer häufig auf nicht unerheblichen Anwaltskosten sitzen.

b) Um das zu vermeiden, ist es meines Erachtens durchaus erwägenswert, in den Aufhebungsvertrag eine Klausel aufzunehmen, wonach der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die diesem entstandenen Anwaltskosten erstattet. Eine solche Regelung sieht sogar das von mir eingangs erwähnte „Anwaltsformularbuch Arbeitsrecht“ als Option vor, obwohl deren Autoren sicher nicht im Verdacht stehen, vorrangig die Interessen von Arbeitnehmern zu vertreten.

c) Argumente für den Arbeitnehmer bzw dessen Anwalt: Die Durchführung eines Kündigungsschutzverfahrens würde auch auf Seiten des Arbeitgebers zu erheblichen eigenen Anwaltskosten führen, die sich durch den Abschluss eines außergerichtlichen Aufhebungsvertrages vermeiden lassen.

Außerdem verzichtet der Arbeitnehmer bei einem Aufhebungsvertrag gewissermaßen konkludent auf die Vollstreckbarkeit, die ihm ein gerichtlich protokollierter Vergleich bieten würde.

Also das sind schon zwei Punkte, die durchaus dafür sprechen können, dass sich der Arbeitgeber an den Anwaltskosten des Arbeitnehmers zumindest beteiligt.

10. Englische Terminologie

Kommen wir ein letztes Mal auf das eingangs erwähnte Formularbuch zurück. Dieses bietet dankenswerter Weise auch eine englische Version des Aufhebungsvertrages an.

„Aufhebungsvertrag“ wird mit Termination Agreement übersetzt. Das ist besser als Cancellation Agreement, was man bisweilen auch liest. Denn der Aufhebungsvertrag beseitigt das Arbeitsverhältnis ja nicht rückwirkend, sondern beendet es für die Zukunft.

Für „Abfindung“ wird der Begriff Severance Payment angeboten, also wörtlich übersetzt Trennungsgeld. Da liest man in anderen Formularen häufig auch Compensation oder ähnliches.

Und wie würden Sie übersetzen, dass das Arbeitsverhältnis „auf Veranlassung des Arbeitgebers“ beendet wird? Hier wird uns vorgeschlagen at the Company´s instigation. – Sehr schön, diese Formulierung hat auch nicht jeder in seinem aktiven Grundwortschatz.

Dr. Wolfgang Gottwald
Rechtsanwalt

DR. GOTTWALD
Rechtsanwalt
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Tel.: 089/383 293-10
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