Donnerstag, 25. April 2024

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Der Vorstand einer Aktiengesellschaft: Ernennung und Vertrag

Die crème de la crème unserer Wirtschaftsbosse sitzt irgendwo im Vorstand, meinen Sie? Ja, das kann man schon so sagen.


Wie wird man eigentlich Vorstand, und was steht denn so in den Vorstandsverträgen drin? Schauen wir es uns an.


1. Die Ernennung


Der Vorstand einer Aktiengesellschaft (AG) wird vom Aufsichtsrat bestellt – und auch wieder abberufen (Paragraph 84 Aktiengesetz).


Von dieser gesellschaftsrechtlichen Bestellung (Organschaft) zu unterscheiden ist der „arbeitsrechtliche“ Abschluss des Anstellungsvertrages/Dienstvertrages.


Die Ernennung und Einstellung eines Vorstands vollzieht sich also in der Regel in drei Schritten:


– Aufsichtsratsbeschluss über die Bestellung eines Vorstandsmitglieds


– Anmeldung der Bestellung zum Handelsregister (über Notar)


– Anstellungsvertrag mit Vorstandsmitglied.


2. Der Vorstandsvertrag


a) Kein Arbeitnehmer


Der Vorstand einer Aktiengesellschaft ist kein Arbeitnehmer, sondern Dienstleister. Sein Vertrag ist kein Arbeitsvertrag, sondern ein Dienstvertrag. Wichtige arbeitsrechtliche Bestimmungen gelten für ihn nicht.


Ein Vorstand(smitglied) hat zum Beispiel keinen Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz (Paragraph 14 Abs. 1 Nummer 1 KSchG).


Und für Rechtstreitigkeiten zwischen dem Vorstand und der Gesellschaft sind auch nicht die Arbeitsgerichte zuständig (Paragraph 5 Abs. 1 Satz 3 Arbeitsgerichtsgesetz).


Den Vertrag, den eine Aktiengesellschaft mit einem Vorstand schließt, nennt man Anstellungsvertrag oder Vorstandsdienstvertrag, nicht Arbeitsvertrag.


b) Wesentlicher Inhalt


Was steht denn nun so drin, in einem solchen Vorstandsdienstvertrag?


(1) Bestellung, Geschäftsführung und Vertretung


Zunächst wird festgestellt, dass die betreffende Person durch Beschluss des Aufsichtsrats zum Vorstand bestellt wurde beziehungsweise bestellt werden soll. Das ist gewissermaßen die Geschäftsgrundlage des Anstellungsvertrages.

Der Vorstand leitet und vertritt die Aktiengesellschaft unter eigener Verantwortung (Paragraphen 76 ff Aktiengesetz).

In der Regel findet sich hier ein Satz dazu, ob er vom Verbot des Selbstkontrahierens (Paragraph 181 BGB) befreit ist oder nicht.


(2) Zustimmungspflichtige Geschäfte


Der Vorstand einer Aktiengesellschaft ist weit selbstständiger und unabhängiger als der Geschäftsführer einer GmbH. Letzterer, also der GmbH-Geschäftsführer, unterliegt bekanntlich den Weisungen der Gesellschafterversammlung (Paragraph 37 GmbHG). Das ist ein umfassendes Weisungsrecht bis hinein in kleinste Details, wenn die Gesellschafter der GmbH das so wollen.


Beim Vorstand eine Aktiengesellschaft steht dagegen die eigenverantwortliche Leitung der Gesellschaft im Vordergrund (Paragraph 76 Abs. 1 Aktiengesetz). Maßnahmen der Geschäftsführung können der Aufsichtsrat oder die Hauptversammlung daher nicht einfach nach Belieben an sich ziehen.


Satzung oder Aufsichtsrat können aber bestimmen, dass der Vorstand bestimmte Arten von Geschäften nur mit Zustimmung des Aufsichtsrats vornehmen darf (§ 111 Abs. 4 Satz 2 AktG). Die Macht des Vorstands ist also nicht unbeschränkt.


Die folgenden Geschäfte des Vorstandes bedürfen in der Regel oder zumindest häufig der Zustimmung des Aufsichtsrats:


– Die Festlegung der Jahres- oder Mehrjahresplanung


– Erwerb und Veräußerung von Unternehmen und Anteilen von Unternehmen, jedenfalls dann, wenn eine bestimmte Größenordnung überschritten wird


– Kauf und Veräußerung von Gegenständen des Anlagevermögens, wenn eine bestimmte Größenordnung überschritten wird


– Erwerb, Veräußerung und Bebauung von Grundstücken, wenn eine bestimmte Größenordnung überschritten wird


– Wesentliche Änderungen des Produktions- oder Vertriebsprogramms der Gesellschaft


– Kreditaufnahmen, wenn eine bestimmte Größenordnung überschritten wird, sowie


– Übernahme von Bürgschaften, Garantien oder ähnlichen Haftungen, wiederum in der Regel ab einer bestimmten Größenordnung.


(3) Nebentätigkeiten


Der Vorstand soll seine „volle Schaffenskraft“, wie man manchmal formuliert, sowie sein ganzes Wissen und Können in den Dienst der Gesellschaft stellen. Deshalb schränkt man Nebentätigkeiten sehr weitgehend ein oder schließt sie gleich gänzlich aus.


(4) Vergütung


Was verdient so ein Vorstand? Nun, die genaue Höhe ist natürlich abhängig von der Größe und Ertragskraft des Unternehmens. Zwischen einem DAX-Konzern auf der einen Seite und einer kleinen Startup-AG auf der anderen liegen Welten. Häufig findet man trotzdem in beiden Fällen einen Vergütungsmix vor, etwa in folgender Zusammensetzung:


Festes Jahresgehalt sowie


– erfolgsbezogene Jahressondervergütung (Tantieme)
, die von bestimmten Bedingungen abhängig ist, häufig vom Gewinn des Unternehmens.


Auch Nebenleistungen sind teilweise üblich, wie zum Beispiel Zuschüsse zur Kranken- und Pflegeversicherung, bei einem von der Gesellschaft veranlassten Ortswechsel möglicherweise auch ein Zuschuss zu den Kosten der doppelten Haushaltsführung.


(5) Versicherungen


Im Interesse der Gesellschaft liegt es, die Haftung des Vorstands durch eine sogenannte D & O Versicherung abzusichern, wobei hier ein Selbstbehalt des Vorstands erforderlich ist.


Darüber hinaus kann die Gesellschaft beispielsweise auch eine Unfallversicherung zu Gunsten des Vorstands abschließen.


(6) Ersatz von Aufwendungen, insbesondere Reisekosten und Dienstwagen


Da Vorstände mitunter viel unterwegs sind, wird häufig auch geregelt, welche Art von Verkehrsmitteln sie benutzen dürfen. Also beispielsweise Bahnfahrt erster Klasse oder Business Class (zumindest) bei Langstreckenflügen.


Ganz wichtig ist manchem Vorstandsmitglied auch der Dienstwagen, den er von der Gesellschaft gestellt bekommt. Hier gibt es häufig recht detaillierte Dienstwagenregelungen, die auch festlegen, dass der Vorstand den Wagen privat nutzen kann. Dafür muss er allerdings den geldwerten Vorteil versteuern.


(6) Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall


Vorstandsmitglieder sind keine Arbeitnehmer und fallen daher auch nicht unter das Entgeltfortzahlungsgesetz. Daher empfiehlt es sich, in den Vorstandsdienstvertrag eine eigenständige Regelung über die Vergütungsfortzahlung bei Dienstverhinderung aufzunehmen, zum Beispiel eine Fortzahlung (der Festvergütung) für drei Monate.


(7) Urlaub


Mangels Arbeitnehmereigenschaft fallen Vorstandsmitglieder auch nicht unter das Bundesurlaubsgesetz.


Deshalb muss auch die Anzahl der Urlaubstage im Vertrag explizit geregelt werden. Gleiches gilt für Detailfragen, wie zum Beispiel die Übertragbarkeit des Urlaubsanspruchs auf das nächste Kalenderjahr.


(8) Wettbewerbsverbot


Während der Dauer des Dienstverhältnisses unterliegt der Vorstand, wie ein Arbeitnehmer auch, einem Wettbewerbsverbot. Dies ergibt sich aus der Natur der Sache bzw als Nebenpflicht aus dem Dienstvertrag. Man darf dem eigenen Unternehmen, für das man arbeitet und von dem man bezahlt wird, keine Konkurrenz machen.


Das Wettbewerbsverbot endet mit Beendigung des Dienstverhältnisses. Ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot muss ausdrücklich vereinbart werden, wobei im Einzelnen strittig ist, inwieweit das ohne die Vereinbarung einer Karenzentschädigung möglich ist.


Für Arbeitnehmer gilt ja bekanntlich Paragraph 74 HGB, wonach ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot nur verbindlich ist, wenn der Verpflichtete hierfür als Ausgleich eine Karenzentschädigung erhält, die mindestens der Hälfte der zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Vergütung entspricht. Diese Bestimmung gilt für Vorstandsmitglieder nicht. Das bedeutet nun aber nicht, dass sich nicht aus Treu und Glauben eine entsprechende Kompensationsverpflichtung ableiten ließe. Teilweise wird jedenfalls vertreten, dass dem so ist, dass ein umfassendes nachvertragliches Wettbewerbsverbot also nur rechtswirksam bzw verbindlich ist, wenn der Vorstand hierfür eine Karenzentschädigung erhält.


(9) Verschwiegenheitspflicht


Auch wenn das nachvertragliche Wettbewerbsverbot unverbindlich sein sollte, heißt das nicht, dass der Vorstand nach seinem Ausscheiden Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse verraten oder für seinen neuen Arbeitgeber verwenden darf. Denn die Verschwiegenheitspflicht gilt auch über das Ende des Dienstvertrages hinaus.


(10) Beendigung des Dienstverhältnisses


Vorstandsverträge werden in der Regel für eine feste Laufzeit abgeschlossen, häufig für 2 bis 5 Jahre (siehe hierzu auch § 84 Absatz 1 AktG für die Organstellung). Häufig wird die Dauer des Vertrages an die Dauer der Organstellung (Bestellung) gekoppelt. Das hat zur Folge, dass auch der Anstellungsvertrag automatisch endet, wenn der Vorstand abberufen wird.


Enthält der Vertrag eine solche Koppelung nicht, dann muss man als Aufsichtsrat sehr aufpassen. Denn die Abberufung bedeutet dann nicht automatisch auch die Beendigung des Anstellungsvertrages, sondern dann muss – und sollte eigentlich immer – zusätzlich auch eine Kündigung des Dienstverhältnisses erfolgen.


Der Vorstand hat, wie bereits erwähnt, keinen Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz. Als Kompensation dient daher der Abschluss des Vertrages für eine bestimmte Laufzeit mit der Maßgabe, dass während dieser festen Laufzeit nur eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund möglich ist.


Diese Regelung wird in gewisser Weise unterlaufen, wenn man die Kündigung an die Abberufung koppelt. Dann ist für die Beendigung des Dienstvertrages nämlich kein wichtiger Grund im Sinne von Paragraph 626 BGB erforderlich, sondern „nur“ ein solcher gemäß Paragraph 84 Absatz 3 Aktiengesetz, namentlich grobe Pflichtverletzung, Unfähigkeit zur ordnungsmäßigen Geschäftsführung oder Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung.


Besonders Letzteres dürfte sich leichter begründen lassen als ein wichtiger Grund gemäß § 626 BGB. Wobei es allerdings nicht reicht, wenn das Vertrauen aus „offensichtlich unsachlichen Gründen“ entzogen wird. Zum Ausgleich sehen Vorstandsverträge im Falle einer solchen Koppelung häufig eine Auslauffrist entsprechend Paragraph 622 BGB vor. Die Abberufung beendet den Dienstvertrag also nicht sofort, sondern erst nach Ablauf der für den Dienstvertrag geltenden gesetzlichen Kündigungsfrist. Was natürlich noch lange kein Kündigungsschutz ist, der dem nach dem Kündigungsschutzgesetz entsprechen würde. Aber dafür verdient so ein Vorstand ja auch sehr viel mehr Geld als ein (normaler) Arbeitnehmer und hat in aller Regel eine feste Vertragslaufzeit.


3. Fazit


Sind Vorstandsmitglieder also tatsächlich die unangefochtenen Herrscher in der Hierarchie des Wirtschaftslebens? Ich denke, die obigen Ausführungen haben gezeigt, dass dem nicht so ist. Vorstände werden, wie dargelegt, vom Aufsichtsrat ernannt und abberufen. Vorstandsmitglieder müssen sich an Gesetz, Satzung und die Regelungen im Dienstvertrag halten. Daneben gibt der Aufsichtsrat häufig auch noch eine Geschäftsordnung für den Vorstand vor und kann bestimmte Arten von Geschäften an seine Zustimmung binden.


Auch für die Damen und Herren an der Spitze von Aktiengesellschaften gibt es also durchaus Regeln, an die sie sich halten müssen.


Wie hat der BGH einmal (in anderem Zusammenhang) so schön formuliert:


Vorstände sind nicht Gutsherren der von ihnen geleiteten Unternehmen, sondern lediglich Gutsverwalter.


Dr. Wolfgang Gottwald

Rechtsanwalt

DR. GOTTWALD
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