Sarah Wiener ist insolvent. So steht es heute im Münchner Merkur, unter Berufung auf die Facebook-Seite der TV-Köchin.
Also mal unter uns: Da wäre sie aber schön blöd, wenn sie wirklich insolvent wäre, die Sarah Wiener. Vermutlich hat sie schon noch die eine oder andere ganz nette Immobilie in Österreich, Deutschland oder der Schweiz. Und auch das eine oder andere gut gefüllte Bankkonto. Es sei ihr vergönnt. …
Liest man sich den Artikel durch, wird klar, dass nicht Sarah Wiener persönlich insolvent ist, sondern die von ihr betriebenen Restaurants und der Catering Service.
Es ist nämlich so, und hier beginnt jetzt der juristische Teil:
1) Der persönlich haftende Einzelunternehmer
Wenn sich jemand geschäftlich betätigen will, indem er zum Beispiel Restaurants betreibt oder einen Catering Service, dann kann er das natürlich als Einzelkaufmann tun. Rechtsfolge ist, dass er für alle Verbindlichkeiten unbeschränkt persönlich haftet. Sind die Restaurants und der Catering Service pleite, dann ist es auch unser Einzelunternehmer.
2) Die haftungsbeschränkte GmbH
Dieses Risiko will man als Unternehmer in aller Regel vermeiden. Deshalb gründet man zum Beispiel eine GmbH, nennen wir sie mal – nur als Beispiel, ich rede jetzt nicht mehr von der echten Sarah Wiener – die Sarah Wiener Catering GmbH. Diese GmbH stattet man dann mit einem bestimmten Kapital aus. Bei einer GmbH sind das mindestens € 25.000. Und dann wirtschaftet diese GmbH eben so vor sich hin, macht in einem Jahr Gewinne, dann vielleicht Verluste, dann wieder Gewinne usw.
Kommt eine Krise, wie jetzt Corona, kann es passieren, dass diese Catering GmbH insolvent wird. Dann muss der Geschäftsführer der GmbH Insolvenz anmelden. Die GmbH ist dann insolvent.
Diese Insolvenz betrifft aber nur die jeweilige GmbH, in unserem Beispielsfall also die Sarah Wiener Catering GmbH. In diese hat (unsere fiktive) Frau Wiener von ihrem Gesamtvermögen von, sagen wir mal völlig willkürlich, € 2.000.000 einen Teilbetrag von € 25.000 investiert. Diese € 25.000 sind damit weg. Der Rest des Vermögens von Frau Wiener ist von der Insolvenz dagegen nicht betroffen.
3) Das Unternehmensgeflecht, manchmal auch Konzern genannt
Noch geschickter ist es, wenn man für jedes einzelne Restaurant eine eigene GmbH gründet. Also beispielsweise die Sarah Wiener Restaurant Hamburg GmbH, und die Sarah Wiener Restaurant München GmbH, und die Sarah Wiener Restaurant Wien GmbH usw. usw. Auf diese Weise kann man die Insolvenz auf einzelne Restaurants beschränken. Wenn also beispielsweise die Geschäfte in Hamburg schlecht laufen, dann geht eben die Sarah Wiener Restaurant Hamburg GmbH in Insolvenz, nicht aber die anderen GmbHs, und schon gar nicht Frau Wiener persönlich.
4. Recht und Moral
Wie funktioniert so etwas konkret? Das ist relativ einfach. Die Gewinne, die die GmbH in guten Jahren macht, entnimmt man, also der Gesellschafter, und kauft sich davon ein schickes Auto oder baut sich ein privates Häuschen. Das gehört dann nicht mehr zum Gesellschaftsvermögen und haftet auch nicht für künftige Schulden der Gesellschaft.
Natürlich kann der Gesellschafter seiner Gesellschaft, wenn diese später in die Krise geraten sollte, Geld zuschießen. Aber die Betonung liegt hier auf „kann“, nicht muss. Er (oder sie) kann sich genauso gut darüber freuen, dass er in der Vergangenheit schöne Gewinne gemacht hat, und die Gesellschaft jetzt in die Insolvenz gehen lassen. Nur um dann, wenn die Zeiten wieder besser sind, eine neue Gesellschaft zu gründen, mit der er dann wieder von vorne anfängt oder auch dort weiter macht, wo er wegen der Krise aufhören musste. Also wieder Restaurants eröffnen, wieder Catering Services anbieten und so weiter, nur eben ohne die Altlasten, also die Schulden aus der Vergangenheit.
Beide Varianten sind rechtlich absolut in Ordnung. Ob beides auch „anständig“ ist, diese Bewertung liegt außerhalb des rechtlichen Bereich. Manche würden sagen: Wer die rechtlichen Möglichkeit der Haftungsbeschränkung einer GmbH nicht nutzt, ist dumm oder schlecht beraten. Andere dagegen sagen: Der verantwortungsbewußte Unternehmer steht auch dann zu seinem Unternehmen (und den Mitarbeitern), wenn es diesem schlecht geht. Aber das sind keine rechtlichen Kriterien, sondern Fragen der Moral. Oder, wie es Jack Nicholson im Film ausdrücken würde, „Eine Frage der Ehre“.
5) Was will ich damit sagen?
a) Glauben Sie mir, keiner dieser Fernsehköche „nagt am Hungertuch“ (schönes Bild, oder?). Weder Sarah Wiener noch dieser andere Fernsehkoch, der da kürzlich in einer Talkshow den Tränen nahe war, weil es seinen Restaurants (oder auch nur einem seiner Restaurants) angeblich wegen Corona so schlecht geht.
b) Die Gründung rechtlich selbständiger Unternehmen, zum Beispiel von einzelnen Betriebsgesellschaften, ist ein legitimes Mittel, um die persönliche Haftung des Unternehmers auszuschließen bzw. einzuschränken.
c) Mehr Mitleid verdienen im Falle der Insolvenz eines Restaurants eigentlich eher die dort beschäftigten Mitarbeiter, denn die verlieren in der Insolvenz in aller Regel ihren Job und damit ihre Haupteinnahmequelle. Prominente Fernsehköche dagegen können die Insolvenz eines ihrer Restaurants oder ihres Catering Unternehmens eher verkraften, weil sie über umfangreiches Privatvermögen verfügen oder andere Standbeine haben (TV Shows, Bücher-Deals), mit denen sie sich ganz gut über Wasser halten können.