Donnerstag, 25. April 2024

Previous slide
Next slide

Booking.com, der Bestpreis und der BGH

Bald dürfen wir wieder überall hin reisen. Hoffentlich ohne Corona-Angst und ohne schlechtes Gewissen.

Pünktlich in unsere Reiseplanungen hinein hat der Bundesgerichtshof jetzt ein interessantes Urteil verkündet:

1. Die Entscheidung des BGH vom 18.5.21

Das Buchungsportal Booking.com darf den auf dem Portal vertretenen Anbietern (Hotels und sonstigen Unterkünften) nicht verbieten, den Kunden auf der eigenen Website der Hotels bessere Konditionen anzubieten als auf Booking.com, also zum Beispiel günstigere Preise.

Die in den (früheren) Verträgen von Booking.com mit den Hotels enthaltene sogenannte Bestpreisklausel ist unwirksam.

2. Die maßgeblichen rechtlichen Erwägungen

Solche Bestpreisklauseln stellen Wettbewerbsbeschränkungen dar. Indem sie den Hotels verbieten, den Kunden auf der eigenen Hotel-Website bessere Konditionen anzubieten also auf Booking.com, wird die Wettbewerbsfreiheit der Hotels eingeschränkt. Das hat Nachteile für die Hotels, die Hotelkunden und für den freien Markt.

Die Wettbewerbsbeschränkung lässt sich auch nicht dadurch rechtfertigen, dass sie angeblich für das „Überleben“ des Portals notwendig sei, da nur so das „Trittbrettfahrerproblem“ in den Griff zu bekommen sei (Kunden informieren sich auf Booking.com und buchen dann direkt auf der Hotel-Website).

Eine erhebliche Gefährdung der Effizienz von Booking.com ohne die Bestpreisklauseln sieht der BGH nicht.

3. Wo ist das Ganze eigentlich gesetzlich geregelt?

Die maßgeblichen rechtlichen Normen hierzu finden sich nicht etwa im BGB oder HGB, sondern ganz woanders: nämlich im europäischen Kartellrecht.

Art. 101 AEUV verbietet solche Wettbewerbsbeschränkungen. Früher hieß der mal Art. 81 EGV; und ganz früher, als ich studiert habe, war das der Art. 85 EG-Vertrag. Später wurde die Regelung dann in Art. 81 EGV verschoben, und heute steht sie eben in Art. 101 AEUV (= Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union). Der Übersichtlichkeit dient das meines Erachtens nicht, aber was soll’s. …

Es handelt sich hier also um kartellrechtliche Regelungen. Das Kartellrecht ist weitgehend europarechtlich geprägt, so dass dem deutschen Kartellrecht, kodifiziert im GWB, meiner Einschätzung nach keine große Bedeutung mehr zukommt.

Davon unabhängig ist Booking.com natürlich europaweit, ja weltweit tätig, so dass schon von daher der Anwendungsbreich des europäischen Kartellrechts eröffnet ist.

Interessante Frage, ob der Fall auch ein Thema für die US-amerikanischen Kartellbehörden ist. Aber das lassen wir jetzt einmal dahingestellt. …

4. Eine Frage der Systematik

Schauen wir uns stattdessen die Begründung des BGH von der Systematik her einmal etwas genauer an.

a) Gemäß Art. 101 Absatz 1 AEUV sind wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen mit dem Binnenmarkt unvereinbar und daher verboten; gemäß Absatz 2 nichtig.

Die Abrede zwischen Booking.com und den beteiligten Hotels, dass die Hotels über ihre eigene Website den Kunden keine günstigeren Preise anbieten dürfen als auf Booking.com, ist ganz ganz klar wettbewerbsbeschränkend. Da beißt die Maus keinen Faden ab.

Das OLG Düsseldorf (Vorinstanz) wollte schon im Rahmen von Art. 101 Absatz 1 AEUV die Überlegung anstellen, dass wettbewerbsbeschränkende Nebenabreden, die erforderlich sind, um einen kartellrechtlich neutralen Hauptzweck des Vertrages zu sichern, ggf nicht unzulässig sind. Also gewissermaßen eine teleologische Reduktion von Absatz 1 vornehmen. Aber da macht der BGH nicht mit. Im Rahmen von Absatz 1 AEUV geht es nur darum, ob eine Vereinbarung wettbewerbsbeschränkenden Charakter hat.

b) Ausnahmen vom Kartellverbot sind dann in Art. 101 Abs. 3 AEUV geregelt, also im dritten Absatz dieser Vorschrift. Diese Ausnahmen können entweder gruppenweise erfolgen, also durch eine sogenannte Gruppenfreistellungsverordnung, oder im Einzelfall (Einzelfreistellung). Aber eben nur dann, wenn die in der entsprechenden Gruppenfreistellungsverordnung und/oder in Art. 101 Absatz 3 AEUV  genannten Voraussetzungen erfüllt sind.

In Frage käme hier eine Gruppenfreistellung nach der sogenannten Vertikal-Gruppenfreistellungsverordnung. Danach ist eine Freistellung jedoch ausgeschlossen, wenn der Anteil des Anbieters an dem relevanten Markt 30 % (oder mehr) beträgt (siehe Art. 3 der Vertikal-GVO). Das ist bei Booking.com der Fall. Aus diesem Grunde fällt eine Freistellung nach der GVO wegen der „Marktmacht“ von Booking.com von vornherein weg.

In Betracht käme dann noch eine Freistellung im Einzelfall. Hierfür ist jedoch gemäß 101 Abs. 3 AEUV erforderlich, dass die wettbewerbsbeschränkte Vereinbarung unerlässlich ist, um – vereinfacht ausgedrückt – Vorteile für die Verbraucher herbeizuführen. Als solche Vorteile kämen in diesem Fall in Betracht, dass Booking.com dem Kunden ein komfortables Tool zum „Suchen, Vergleichen und Buchen“ bietet (Effizienzvorteile). Aber dies wird vom BGH im Ergebnis abgelehnt mit der Begründung, dass die Bestpreisklausel hierfür „nicht unerlässlich“ ist.

c) Im Ergebnis liegt daher eine wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung vor. Diese ist verboten, da sie weder durch eine Gruppenfreistellung noch durch eine Einzelfreistellung ausnahmsweise erlaubt ist.

5. Verfahrensgang

Auch ganz interessant ist die wechselvolle Geschichte dieses Rechtsfalles.

Zunächst einmal haben sich die Juristen von Booking.com offenbar gedacht, dass eine solche Bestpreisklausel rechtlich zulässig ist. Zumindest erschienen ihnen die Chancen so gut, dass man es einmal probieren kann.

Dagegen ist dann das Bundeskartellamt vorgegangen und hat Booking.com die Verwendung der entsprechenden Bestpreisklausel untersagt.

Booking hat dagegen geklagt (Beschwerde), und der Kartellsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf hat Booking.com recht gegeben.

Vorerst letzter Schritt: Der Bundesgerichtshof (Kartellsenat) hat die Entscheidung des OLG Düsseldorf auf die Rechtsbeschwerde des BKartA hin aufgehoben, so dass im Ergebnis die Bestpreisklausel von Booking.com unwirksam bleibt.

Wie geht’s jetzt weiter, wird Booking.com die BGH-Entscheidung akzeptieren? Da es sich hier um Europarecht handelt, halte ich es nicht für ausgeschlossen, dass die Sache auch noch zum EuGH geht.

Man sieht also an diesem Fall sehr schön, dass auch durchaus kompetente Anwälte, Behörden und Gerichte bei der rechtlichen Beurteilung eines Sachverhalts zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen kommen können.

6. Auswirkungen für uns als Verbraucher

Für uns als Reisende hat das Urteil den Vorteil, dass es durchaus Sinn macht, sich nicht nur die Hotelangebote auf Booking.com anzusehen, sondern auch einmal einen Blick auf die Webseiten der Hotels selbst zu werfen. Vielleicht findet man ja dort bessere Preise.

Also ich persönlich habe ja, so zumindest mein Eindruck, schon häufiger die Erfahrung gemacht, dass man bei einer Buchung über ein Buchungsportal nicht unbedingt die schönsten Zimmer bekommt. Wenn man also gern in einer oberen Etage mit Balkon und Blick aufs Meer übernachtet, kann es sich durchaus lohnen, direkt an der Rezeption des Hotels anzurufen und sich nicht auf die 2 oder 3 Klicks auf dem Buchungsportal zu beschränken, auch wenn das natürlich am bequemsten ist.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen viel Spaß bei Ihrer Urlaubsplanung.

Dr. Wolfgang Gottwald
Rechtsanwalt

DR. GOTTWALD
Rechtsanwalt
Attorney at Law

Leopoldstraße 51
80802 München

Tel.: 089/383 293-10
Fax: 089/383 293-13

w.gottwald@kanzlei-dr-gottwald.de