Donnerstag, 25. April 2024

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Die verlorene Ehre der Katharina Blum

Ich war neulich mal wieder im Theater. Die verlorene Ehre der Katharina Blum. Ein Stück, das wir vor ein paar Jahrzehnten einmal in der Schule gelesen haben, wenn ich mich richtig erinnere.

In dem Werk von Heinrich Böll geht es bekanntlich darum, wie eine junge Frau von der ZEITUNG – salopp ausgedrückt – grundlos fertig gemacht wird.

Dem Juristen stellt sich dabei die Frage: Was darf die Presse eigentlich und was nicht? Und wo ist es gesetzlich geregelt? …

1. Gesetzliche Regelungen

Lassen wir Zivilrecht, Strafrecht, die Landespressegesetze und auch das KUG (Recht am eigenen Bild) einmal außer Betracht. Das sind alles wichtige Regelungen, mit denen der Betroffene eine Verletzung seines Persönlichkeitsrechts geltend machen kann.

Aber das, was da zum Beispiel in § 823 BGB und Artikel 1 GG steht, ist doch sehr abstrakt und allgemein. Da muss man schon parallel dazu tief in die Rechtsprechung schauen, um ein einigermaßen anschauliches Bild zu bekommen.

2. Pressekodex

Sehr viel konkreter und anschaulicher ist dagegen ein anderes Regelwerk, welches wahrscheinlich nicht so bekannt ist es, nämlich der sogenannte Pressekodex.

Dort steht sehr drin, was die Presse darf beziehungsweise nicht darf. Grund genug, finde ich, sich diesen Pressekodex einmal etwas genauer anzusehen.

a) Grundsätze

Die Grundsätze und Regeln sind so anschaulich, dass man eigentlich gar nicht viel dazu erläutern muss. Ich greife einmal ein paar dieser Regelungen heraus:

Ziffer 8 Schutz der Persönlichkeit

Die Presse achtet das Privatleben des Menschen und seine informationelle Selbstbestimmung. … . Bei einer identifizierenden Berichterstattung muss das Informationsinteresse der Öffentlichkeit die schutzwürdigen Interessen von Betroffenen überwiegen; bloße Sensationsinteressen rechtfertigen keine identifizierende Berichterstattung. …

Ziffer 9 Schutz der Ehre

Es widerspricht journalistischer Ethik, mit unangemessenen Darstellungen in Wort und Bild Menschen in ihrer Ehre zu verletzen.

Ziffer 11 Sensationsberichterstattung

Die Presse verzichtet auf eine unangemessen sensationelle Darstellung von Gewalt, Brutalität und Leid. …

Richtlinie 11.1 – Unangemessene Darstellung

Unangemessen sensationell ist eine Darstellung, wenn in der Berichterstattung der Mensch zum Objekt, zu einem bloßen Mittel, herabgewürdigt wird. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn über einen sterbenden oder körperlich oder seelisch leidenden Menschen in einer über das öffentliche Interesse und das Informationsinteresse der Leser hinausgehenden Art und Weise berichtet wird.

Bei der Platzierung bildlicher Darstellungen von Gewalttaten und Unglücksfällen auf Titelseiten beachtet die Presse die möglichen Wirkungen auf Kinder und Jugendliche.

Richtlinie 11.2 – Berichterstattung über Gewalttaten

Bei der Berichterstattung über Gewalttaten, auch angedrohte, wägt die Presse das Informationsinteresse der Öffentlichkeit gegen die Interessen der Opfer und Betroffenen sorgsam ab. Sie berichtet über diese Vorgänge unabhängig und authentisch, lässt sich aber dabei nicht zum Werkzeug von Verbrechern machen. Sie unternimmt keine eigenmächtigen Vermittlungsversuche zwischen Verbrechern und Polizei.

Interviews mit Tätern während des Tatgeschehens darf es nicht geben.

Richtlinie 11.3 – Unglücksfälle und Katastrophen

Die Berichterstattung über Unglücksfälle und Katastrophen findet ihre Grenze im Respekt vor dem Leid von Opfern und den Gefühlen von Angehörigen. Die vom Unglück Betroffenen dürfen grundsätzlich durch die Darstellung nicht ein zweites Mal zu Opfern werden.


b) Durchsetzung und Sanktionen

Zuständig für die Durchsetzung des Pressekodex ist der Presserat. Dieser besteht aus 28 Mitgliedern, nämlich 14 Vertretern von Verlagen und 14 Journalisten. Er trifft sich 4 mal im Jahr, um über die eingegangenen Beschwerden zu diskutieren.

Jeder, der mit einem Presseartikel nicht einverstanden ist, kann sich mit einer Beschwerde an den Presserat wenden.

Die Sanktionsmöglichkeiten des Presserats sind allerdings beschränkt. Der Presserat kann dem Geschädigten kein Schmerzensgeld und keinen Schadensersatz zusprechen. Er kann auch kein Bußgeld gegen die betreffende Zeitung verhängen.

Die schärste Sanktion, die der Presserat aussprechen kann, ist eine Rüge. Das ist der Grund, warum der Presserat manchmal als „zahnloser Tiger“ bezeichnet wird.

c) Eigene Bewertung

Letztendlich ist der Presserat eben doch „nur“ eine Einrichtung der Presse selber, also ein Organ der Selbstkontrolle, welches wie gesagt mit Vertretern der Verlage und mit Journalisten besetzt ist. Eine unabhängige Kontrolle der Presse von außen findet durch den Presserat daher nicht statt.

Trotzdem halte ich es für wichtig und sinnvoll, dass es einen solchen Pressekodex gibt und dass die Presse auch selber darüber wacht, dass dieser Pressekodex von den Zeitungen und Zeitschriften bei ihrer Berichterstattung und sonstigen Publikationen beachtet wird.

Der Rechtsschutz durch die staatlichen Gerichte – siehe Ziffer 1 oben – bleibt davon ja unberührt. Die Selbstkontrolle der Presse tritt vielmehr zusätzlich neben den gerichtlichen Rechtsschutz gegen Verletzungen des Persönlichkeitsrechts durch die Presse, zB durch falsche Berichterstattungen.

3. Was in der Zeitung steht …

Apropos Falschberichterstattung: Da gibt es doch dieses großartige Lied von Reinhard Mey, Was in der Zeitung steht. Kennen Sie das? Hören Sie doch mal wieder rein, das ist wirklich gut.

Reinhard Mey steht übrigens, habe ich kürzlich irgendwo gelesen, mit seinen 80 Jahren oder so nach wie vor erfolgreich auf der Bühne. Und das ist doch mal was Positives zum Schluss.


Dr. Wolfgang Gottwald
Rechtsanwalt

DR. GOTTWALD
Rechtsanwalt
Attorney at Law

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