Samstagmorgen im Supermarkt, Kaffeeregal. Stange über Stange von diesen Kaffeekapseln.
Kaffeekapseln, wie sollte man Kaffee auch sonst zubereiten? – Okay, der Gag ist von der Heute Show geklaut.
Bleiben bzw. werden wir juristisch.
Bekanntlich verdient die Firma Nestlé das Geld nicht mit den Nespresso-Maschinen, die sind nämlich relativ günstig, sondern mit den dazugehörigen Kapseln. Da steckt die Gewinnmarge drin. Es ist daher nicht verwunderlich, dass viele Drittanbieter versuchen, ihrerseits einen Teil vom „Kuchen“ abzubekommen, indem sie Kapseln für die Nespresso-Maschine verkaufen.
Nestlé war das von Anfang an ein Dorn im Auge. Welche Möglichkeiten hat Nestlé nun, anderen den Verkauf von Kaffeekapseln für die Nespresso-Maschine zu untersagen?
Gehen wir das Instrumentarium einmal durch:
1. Markenrecht
Die Marke „Nespresso“ ist markenrechtlich geschützt. Nur der Markeninhaber Nestlé ist berechtigt, die Bezeichnung „Nespresso“ markenmäßig zu verwenden. Nespresso-Kapseln dürfen also nur von Nestlé verkauft werden.
Das Problem liegt hier bei der markenmäßigen Verwendung. Denn die schließt es natürlich nicht aus, dass auch ein anderer den Begriff „Nespresso“ in den Mund nimmt. Nestlé kann also nicht verbieten, dass Drittanbieter Kaffeekapseln verkaufen, die „für die Nespresso-Maschine geeignet“ sind. Man darf sie nur eben nicht offiziell als „Nespresso“-Kapseln bezeichnen.
2. Patentrecht
Also ich bin kein Patentanwalt, aber ich würde einmal sagen: Die Nespresso-Maschinen (bzw. Teile davon) sind selbstverständlich patentrechtlich geschützt. Die darf man nicht so ohne weiteres nachbauen.
Aber die Nespresso-Kapseln? Da hätte ich so meine Bedenken, ob es sich bei diesen Kapseln tatsächlich um eine „neue technische Erfindung“ im Sinne des Patentgesetzes (oder der entsprechenden Schweizer oder europarechtlichen Normen) handelt. Denn so eine Kapsel ist in technischer Hinsicht doch relativ einfach konzipiert, oder?
Nachdem es ja tatsächlich so viele andere Kaffeekapseln gibt, die für die Nespresso-Maschine geeignet sind, spricht doch viel dafür, dass die Nespresso-Kapseln keinen Patentschutz (mehr) genießen. Gehen wir mal davon aus.
3. Design
Und jetzt kommt der interessante Punkt, warum ich diesen Artikel hier schreibe.
a) Nespresso könnte seine Maschinen doch einfach so konzipieren, dass da nur Kapseln hineinpassen, die ein bestimmtes Design aufweisen. Dieses Design lässt man sich dann nach dem deutschen Designgesetz (früher mal Geschmacksmustergesetz) oder der europäischen Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung (GGV) rechtlich schützen und – voilá – kein anderer außer Nespresso darf diese Design-geschützten Kapseln nachbauen.
b) Problem gelöst? – Nein, offensichtlich nicht. Denn sonst gäbe es ja nicht so viele Kaffeekapseln von Drittanbietern, die haargenau in die Nesspresso-Maschine passen.
Der Grund ist folgender. Es gibt eine Bestimmung, sowohl im deutschen Designgesetz (§ 3) als auch in Artikel 8 der Geschmacksmuster-Verordnung (GGV), die wie folgt lautet:
Ein Gemeinschaftsgeschmacksmuster besteht nicht an Erscheinungsmerkmalen eines Erzeugnisses, die ausschließlich durch dessen technische Funktion bedingt sind.
Ein Gemeinschaftsgeschmacksmuster besteht nicht an Erscheinungsmerkmalen eines Erzeugnisses, die zwangsläufig in ihrer genauen Forum mit ihren genauen Abmessungen nachgebildet werden müssen, damit das Erzeugnis, in das das Geschmacksmuster aufgenommen oder bei dem es verwendet wird, mit einem anderen Erzeugnis mechanisch verbunden oder in diesem, an diesem oder um dieses herum angebracht werden kann, sodass beide Erzeugnisse ihre Funktion erfüllen können.
Vereinfacht ausgedrückt: Ein Design, welches durch technische Notwendigkeiten vorgegeben ist, kann nicht als Design geschützt werden. Wenn die Kapsel so aussehen muss, damit sie passt, dann ist das Design nicht schutzfähig.
So scheint mir der Fall auch bei den Nespresso-Kapseln zu liegen. Die Kapseln müssen einfach so gestaltet sein, damit sie in die Nespresso-Maschine hinein passen. Folglich ist die Formgebung technisch bedingt und kann nicht als Design geschützt werden.
c) Der Grund, der hinter dieser gesetzlichen Regelung steht, ist vermutlich, dass man eben nicht will, dass ein Hersteller den Markt für bestimmte Zusatzprodukte monopolisiert. – Also man könnte das jetzt natürlich in einem entsprechenden Kommentar zum Designrecht nachschauen, aber das machen wir jetzt nicht, wir haben ja schließlich auch noch andere Arbeit zu erledigen. – Deshalb gibt es Nespresso-Kapseln von so vielen anderen Anbietern, und deshalb muss der Toner für den Brother-Drucker auch nicht zwingend von der Firma Brother sein, sondern kann auch von einem anderen, namenlosen Hersteller kommen.
4. Wettbewerbsrecht
Ja, aber ist es denn nicht wettbewerbswidrig, wenn man als Dritter oder Fremder Kaffeekapseln herstellt, die (nur oder gerade) für die Nespresso-Maschine geeignet sind? Oder Toner, der (nur oder gerade) in einen Brother-Drucker passt?
Das UWG, dort § 4 Nr. 3 (früher Nr. 9), verbietet es doch, Waren anzubieten, die eine Nachahmung der Waren eines Mitbewerbers sind?
a) Naja, da muss man die Bestimmung schon genau lesen. Die Nachahmung ist nämlich nur dann verboten, wenn damit eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft einhergeht. Das ist nicht der Fall, wenn auf den Kaffeekapseln ausdrücklich ein anderer Markenname steht, zum Beispiel Jacobs oder Lavazza oder Starbucks oder Dallmayr oder was auch immer. Dann weiß der Kunde, dass es sich dabei um keine Kaffeekapsel aus dem Hause Nespresso (Nestlé) handelt.
b) Aber § 4 Nr. 3 UWG verbietet die Nachahmung doch auch schon dann, wenn dadurch die Wertschätzung der nachgeahmten Ware unangemessen ausgenutzt wird.
Frage: Nutzt der italienische Kaffeeröster Lavazza die Wertschätzung, die der Kunde den Nespresso Kaffeekapseln entgegenbringt, unangemessen aus, wenn er seinerseits Kaffeekapseln anbietet, die explizit für die Nespresso-Maschine geeignet sind? Offenbar nein, denn sonst würde es ja nicht so viele Kaffeekapseln von Drittanbietern für die Nespresso Maschine geben.
Also auch hier könnte man jetzt natürlich wieder in einem Kommentar nachschauen, was Gerichte oder andere Fachleute zu diesem Punkt so sagen, d.h. wie sie diese gesetzliche Bestimmung auslegen. Aber warum immer darauf schauen, was andere schreiben? Ich persönlich finde schon, dass man durch die Herstellung von Kaffeekapseln, die nur in die Nespressomaschine passen, die Wertschätzung von Nespresso ausnutzt. Denn die Kunden kaufen die Lavazza/Dallmayr/Mövenpick-Kapseln ja nur deshalb, um sie in ihrer Nespresso-Maschine zu verwenden. Gäbe es die Nespresso-Maschine nicht, dann würde doch niemand solche Kaffeekapseln kaufen oder?
c) Umgekehrt kann man natürlich auch fragen: Warum verkauft Nestlé seine Nespressomaschinen eigentlich so billig und die Kaffeekapseln so teuer? Das ganze Nachahmerproblem wäre doch sofort vom Tisch, wenn Nespresso mit den (mutmaßlich patentgeschützten) Kaffee-Maschinen Gewinn machen würde und nicht mit den (offenbar nicht schutzfähigen) Kaffee-Kapseln.
Muss wohl eine Marketingüberlegung sein. Offenbar ist der Gewinn, den Nespresso mit dem Verkauf der eigenen Kapseln macht, trotz der Konkurrenz durch andere Kapselhersteller immer noch größer, als wenn man (die Maschinen mit Gewinn verkaufen und) die Marge auf den Verkauf der Kapseln auf ein sachgerechtes, wettbewerbsfähiges Niveau reduzieren würde. …
Wie auch immer. Interessant ist das mit den Kapseln schon.
Lassen Sie sich Ihren Kaffee schmecken.