Da wollten Sie also während der Faschingsferien für ein paar Tage nach Amsterdam, Lissabon oder Marrakesch fliegen. Und dann haben Sie Ihren Flug verpasst, weil die Wartezeit vor der Sicherheitskontrolle wegen eines Streiks am Vortag über vier Stunden betrug.
Jetzt sind Sie natürlich stinksauer. Flieger weg, Hotelstornokosten, einen ganzen Tag am Flughafen verloren, um das bereits eingecheckte Gepäck zurück zu bekommen.
Wie geht man mit so einer Situation um?
1. Let it all out (Schimpfen hilft)
Fassen Sie Ihren Frust – gedanklich – in deutliche Worte, um sich erst einmal abzureagieren.
Flughafen München: Der dümmste Airport der Welt? Und die Lufthansa auch nur eine andere Ramsch-Airline? …
Hätten die die Warteschlange vor der Sicherheitskontrolle nicht anders organisieren können? Kein Ansprechpartner weit und breit, weder vom Flughafen noch von der Lufthansa. Nur diese „saudummen Standardansagen“ vom Band: Bitte lassen Sie Ihr Gepäck nicht unbeaufsichtigt. …
Die Verantwortlichen für dieses Chaos am Flughafen gehören doch alle entlassen, fristlos!
2. Drehen Sie die Lautsprecher auf (Musik hilft auch)
Wenn Ihnen selber die richtigen Worte zum Abreagieren fehlen, dann lassen Sie doch Rammstein und Konsorten Ihre Wut in Worte fassen. Hier ein paar Vorschläge:
– Skid Row, 18 and life
– The Pretty Reckless, Make me wanna die
– Godsmack, Bulletproof
– Oder was halt sonst so auf Ihrer akustischen Linie liegt. Hauptsache der Bass haut richtig rein!
Jetzt bloß nichts Gefühlsduseliges. Sie müssen sich erst mal abreagieren. If I had a rocket launcher some son of a bitch would die. …
3. Rationale (rechtliche) Prüfung
Wenn Sie sich dann ein bisschen abreagiert haben, machen wir uns über die nächsten Schritte Gedanken.
Aber nicht zu früh, bitte. Vielleicht sind Sie jetzt einfach noch nicht in der Stimmung für rationale Überlegungen oder gar, Gott bewahre, ein „Schuldeingeständnis“. Das letzte, was Sie jetzt hören wollen, ist: Wärst halt früher zum Flughafen gefahren. Konntest dir ja denken, dass das am Tag nach dem Streik einen Massenansturm dort geben wird. – Bloß nicht, das bringt Sie gleich wieder auf die Palme.
Kann man sich als Anwalt auch für den Umgang mit frustrierten Mandanten merken: Manchmal braucht es ein bisschen Zeit, bis man die Wahrheit an sich heranlässt. Da hilft kein sachliches Argumentieren. Wenn der Mensch sauer ist, dann will er in seinem Zorn ernst genommen werden. Bleiben Sie mir weg mit Ihren jurstischen Spitzfindigkeiten.
Trotzdem: Hat man rechtliche Möglichkeiten?
Wenn ein Mandant mit so einem Problem zu Ihnen kommt, dann prüfen Sie als Anwalt normalerweise ganz sachlich die Rechtslage:
Flug verpasst. Gibt es eine Entschädigung? Da der Flieger nicht verspätet war, können Sie die Fluggastrechteverordnung im Prinzip in die Tonne hauen. Der Flieger flog ja pünktlich, nur eben ohne Sie.
Ist die Lufthansa schuld am Chaos vor der Sicherheitskontrolle? Redlicher Weise wird man sagen müssen, eher nein. Natürlich hätten die das wissen können und versuchen, gegenzusteuern. Indem man die Flüge von vornherein verschiebt. Oder beim Sicherheitscheck je nach Boarding Time verschiedene Warteschlangen bildet oder dergleichen. Haben die nicht gemacht, soweit hat offenbar keiner gedacht. Kann man sie dafür zur Verantwortung ziehen? Wohl eher nicht.
Man wird also wohl festhalten müssen, dass man rechtlich keine Handhabe hat.
4. Count your losses (and move on)
Bleibt also wohl nur, die eigenen Verluste zu addieren: Flugkosten, Hotelstornokosten, ein paar weitere Ausgaben am Rande. Das ist der finanzielle Schaden.
Ärgerlich, aber das bringt Sie jetzt auch nicht gleich um, oder?
5. Hat das Ganze vielleicht auch Vorteile?
Manchmal macht es Sinn, sich die tatsächlichen oder auch nur vermeintlichen Vorteile einer unschönen Situation vor Augen zu führen.
a) Vielleicht wären Sie ja in Amsterdam von einem Junkie überfallen worden. Oder Sie wären beim Flug in das windige Lissabon in ganz schreckliche Turbulenzen geraten. Und in Marrakesch hätten Sie sich sicher den Magen verdorben. Die sind dort mit der Hygiene halt noch nicht ganz so weit wie wir. Auf jeden Fall hätten Sie sich an der Tajine wie üblich gehörig den Mund verbrannt.
b) Jetzt haben Sie also ein paar Tage gewonnen, in denen Sie etwas anderes unternehmen können. Machen Sie das auch.
Wieviel Zeit hätten Sie im Flieger verbracht? 3 Stunden? Gut, dann ziehen Sie mal um Ihren Wohnort einen gedanklichen Radius, wo Sie mit dem Auto in 3 Stunden überall hinkommen. Da wird doch sicher was Interessantes dabei sein, oder? Alpen, Bodensee vielleicht? …
Also: Fasten your (Auto-) Seatbelt. This is your Captain speaking. Kein Fliegersitz ist so bequem wie der in Ihrem Pkw. Und das Bordprogramm (Musik) ist hier auch viel besser.
c) Und wenn Sie gar nicht mehr wegfahren wollen, dann genießen Sie die eingesparte Zeit doch zu Hause. Schauen Sie sich, wenn Sie in München wohnen, die Sicherheitskonferenz aus der Nähe an, oder gehen Sie zu Mickie Krause auf den Marienplatz. …
Apropos Sicherheitskonferenz. Wieso müssen die Ihre „Waffenmesse“ eigentlich immer mitten in der Innenstadt abhalten? Geht doch aufs Messegelände! Da ist Platz. Da können die Wichtigtuer mit dem Hubschrauber direkt vor die Tür fliegen und müssen sich nicht mit ewig langen Konvois vom Flughafen über die Leopoldstraße bis zum Hotel vorkämpfen. Teilweise mit gepanzerten Fahrzeugen, die extra zu diesem Zweck aus einem anderen Kontinent eingeflogen wurden. – Aber halt, das mit dem Schimpfen hatten wir ja schon hinter uns (siehe Ziffer 1 oben). Jetzt wollten wir ja konstruktiv werden.
d) Also gehen Sie ins Kino, schauen Sie sich diesen interessanten neuen koreanischen Film (Die Frau im Nebel) an. Oder gehen Sie in die Ausstellung, die nur noch ein paar Tage läuft (Max Beckmann, Departure). Halt, „Departure“ ist jetzt leider psychologisch ganz schlecht. Mit dem Abflug ist es ja leider nichts geworden. …
e) Vielleicht legen Sie ja sogar einen Arbeitstag ein, wenn sich etwas Interessantes oder Lukratives bietet. Da sind die Verluste schnell wieder reingeholt. Zumindest haben Sie jetzt diese Optionen, die Sie nicht gehabt hätten, wenn Sie Ihren Flieger erwischt hätten.
6. No Gos (Bloß nicht)
Was Sie auf jeden Fall vermeiden sollten:
a) Ihre Wut an anderen auslassen
Die Brezenverkäuferin am Flughafen oder im U-Bahn-Kiosk kann nichts dafür, dass Sie – wegen der blöden LH – Ihren Flieger verpasst haben. Also seien Sie nett zu ihr. Dann ist die auch nett zu den anderen Kunden. So vermeiden Sie, dass sich Ihre schlechte Laune wie ein Virus in der Stadt verbreitet.
b) Don´t do anything stupid
Machen Sie jetzt nicht alles noch schlimmer, indem Sie völlig irrational handeln. Mit 200 km/h über die Autobahn rasen, ist eher kein geeignetes Mittel zum Stressabbau.
Alle weiter geplanten Urlaube stornieren, weil Reisen „einfach Scheiße“ ist, sollten Sie sich auch noch mal in Ruhe überlegen. Manchmal hat es Ihnen ja doch auch ein bisschen Spaß gemacht. Also früher, meine ich.
7. Fazit
Ist natürlich alles subjektiv. Whatever gets you thru the night, hat John Lennon mal gesungen. Also mir geht´s schon wieder besser.
Dr. Wolfgang Gottwald
Rechtsanwalt
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Anger Management
DR. GOTTWALD
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