Freitag, 19. April 2024

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Endspiel (Erbrechtliche und andere Überlegungen)

Weihnachten ist zwar eigentlich das Fest der Geburt. Trotzdem denken viele Menschen in der Weihnachtszeit häufig auch über das Ende nach und darüber, was mit ihrem Vermögen eigentlich passieren soll, wenn sie einmal nicht mehr sind.

Soll alles an den Ehegatten gehen, mit dem man die letzten 20, 30 oder gar 40 Jahre mehr schlecht als recht verbracht hat? Oder gleich an die Kinder, die einmal im Jahr, häufig eben zu Weihnachten, nachfragen, wie es einem eigentlich so geht, beziehungsweise ob demnächst mit einem Ableben zu rechnen ist? …

Mit den Heiligen haben Sie nichts mehr am Hut, und Hunde mögen Sie eigentlich auch nicht. Die Kirche und der Tierschutzbund sollen Ihr Vermögen also nicht bekommen. Das gleiche gilt für Greenpeace und Amnesty International, deren Aktionen und „Bettelstände“ Ihnen schon lange ein Dorn im Auge sind.

Wohin also mit dem Vermögen? Gehen wir Ihre Optionen doch in gewohnt launiger Manier einmal durch.

1. Gesetzliche Erbfolge

Wenn Sie gar nichts machen oder wenn es Ihnen schlicht „eh wurscht“ ist, was mit Ihrem Vermögen passiert, dann entscheidet der Staat diese Frage für Sie. Juristisch ausgedrückt: Dann greift die gesetzliche Erbfolge ein.

Wenn es Sie (doch irgendwie) interessiert, von wem Sie dann beerbt werden, dann schauen Sie einfach ins Gesetz. Ganz hinten im BGB steht was zum Erbrecht. Oder fragen Sie Ihren Anwalt. Oder lassen Sie es einfach. Muss Sie ja nicht mehr interessieren, wenn Sie erst einmal tot sind.

Grundsätzlich gilt: Die gesetzliche Erbfolge begünstigt die Familie, also den Ehegatten und die Kinder (§§ 1924ff und 1931ff BGB). Wenn Sie das nicht wollen, wäre das zum Beispiel ein Grund, über die Errichtung eines Testaments nachzudenken.

2. Testierfähigkeit

Wenn Sie selber bestimmen wollen, von wem Sie einmal beerbt werden, dann können Sie das zum Beispiel in Form eines Testaments regeln.

Aber Achtung: Allzu lange dürfen Sie damit nicht warten. Denn wenn die Demenz schon so weit fortgeschritten ist, dass Sie nicht mehr wissen, ob Klara nun Ihre Tochter oder Ihre Katze ist, dann fehlt es Ihnen an der sogenannten Testierfähigkeit (§ 2302 BGB). Und dann ist das Testament leider das Papier nicht wert, auf das Sie es schreiben.

Also: Wenn schon Testament, dann rechtzeitig.

3. Testament, gemeinschaftliches Testament, Erbvertrag

Um selber festzulegen, wie Sie beerbt werden wollen, können Sie ein Testament errichten oder einen Erbvertrag abschließen. Was ist der Unterschied?

a) Testament

In einem Testament (§§ 2064 und 2229ff BGB) legen Sie allein fest, wie die Erbfolge aussehen soll. Das kennen Sie. Dazu schreibe ich jetzt nichts weiter.

Ein Testament können Sie auch allein wieder ändern, jedenfalls solange Sie noch testierfähig sind.

b) Erbvertrag

Ein Erbvertrag (§§ 1941 und 2274ff BGB) dagegen ist ein Vertrag – zum Beispiel (aber nicht notwendigerweise) – mit dem Erben. Ein solcher Erbvertrag empfiehlt sich, wenn der Erbe dafür, dass er später einmal erbt, eine Gegenleistung erbringen soll. Wenn er Sie also zum Beispiel auf Ihre alten Tage pflegen soll.

Beim Erbvertrag geht das mit der Aufhebung oder Änderung durch den Erblasser allein grundsätzlich nicht, sondern da muss dann auch der Vertragspartner mitwirken (§ 2290 BGB: Aufhebung durch Vertrag) oder es muss ein Anfechtungsgrund vorliegen (§ 2281: Anfechtung durch den Erblasser). Selbst bei der Aufhebung durch Testament (§ 2291 BGB) muss der andere zustimmen.

c) Gemeinschaftliches Testamant

Ein „Zwischending“ zwischen Testament und Erbvertrag, wenn man so will, ist das gemeinschaftliche Testament (§§ 2265ff BGB). Darin legen Sie gemeinsam mit Ihrem Ehegatten fest, wie Sie beide einmal beerbt werden wollen. Zum Beispiel in Form eines sogenannten Berliner Testaments (dazu unten Ziffer 7).

Ein gemeinschaftliches Testament können Sie grundsätzlich auch nur gemeinsam wieder ändern (Einzelheiten siehe § 2271 BGB).

3. Brauche ich einen Notar?

Für einen Erbvertrag, ja (§ 2276 BGB). Einen Erbvertrag können Sie nur vor einem Notar errichten. Das kostet natürlich Geld. Allerdings schaut der Notar auch drauf, dass das, was Sie da vereinbaren, rechtlich wirksam ist und einigermaßen Sinn ergibt.

Ein Testament dagegen können Sie auch selber schreiben. Aber Achtung: Nicht mit Schreibmaschine oder PC, sondern ausschließlich handschriftlich. Also sowohl den Text handschriftlich schreiben als auch eigenhändig unterschreiben. Sonst ist das ganze für die Katz, also unwirksam.

4. Was ist eigentlich ein Vermächtnis?

Sein Vermögen vererben oder jemandem „vermachen“ wird umgangssprachlich häufig als gleichbedeutend angesehen. Rechtlich ist es aber nicht so.

a) Der Erbe erbt im Zeitpunkt des Todes des Erblassers (§§ 1922 und 1942ff BGB). Gut, er kann das Erbe zwar ausschlagen, aber grundsätzlich geht Ihr Vermögen mit Ihrem Tod auf Ihre(n) Erben über.

b) Der Vermächtnisnehmer dagegen ist nicht Erbe, sondern er hat lediglich einen Anspruch gegen den Erben, dass der ihm dann den Gegenstand, den Sie ihm vermacht haben, herausgibt (§§ 1939 und 2147ff BGB).

Das kann durchaus zu Streitereien zwischen dem Erben und dem Vermächtnisnehmer führen. Die Erbenstellung ist also stärker als die eines bloßen Vermächtnisnehmers.

5. Vorerbe, Nacherbe

Wenn Sie ziemlich genaue Vorstellungen haben, wer Sie einmal wann und wie beerben soll, können Sie auch eine Vor- und Nacherbfolge anordnen (§§ 2100ff BGB).

Dann wird mit Ihrem Tod zunächst der Vorerbe „Erbe“, und später dann der Nacherbe. Wann der Nacherbfall eintritt, können Sie selber festlegen (§ 2106 BGB). Zum Beispiel dann, wenn Ihr Vorerbe stirbt oder wenn der Nacherbe volljährig wird oder dergleichen. Auf diese Weise können Sie also noch über viele Jahre hinweg mitregieren, was mit Ihrem Erbe geschehen soll.

6. Testamentsvollstrecker

Wenn Sie mehrere Erben haben, dann bilden diese eine sogenannte Erbengemeinschaft (§§ 2032ff BGB). Diese muss sich dann irgendwie auseinandersetzen, also einigen. Das ist häufig mit Streitereien verbunden.

Wenn Sie Ihren Erben nicht zutrauen, dass die das vernünftig hinbekommen, dann können Sie auch einen sogenannten Testamentsvollstrecker (§§ 2197ff BGB) einsetzen, der sich um die Auseinandersetzung des Nachlasses kümmern soll (§ 2204 BGB).

7. Berliner Testament

Kommen wir zu etwas ganz Beliebtem, dem sog. Berliner Testament (§ 2269 BGB).

a) Warum heißt das Ding eigentlich „Berliner“ Testament? Keine Ahnung, kann man aber sicher googeln. Aber eigentlich ist es auch egal. Sie können es auch „Münchner“ Testament nennen, wenn Ihnen das besser gefällt. Entscheidend ist nicht das, was drüber steht, sondern das, was drin steht.

Allerdings kann es zu Problemen, nämlich Auslegungsschwierigkeiten, führen, wenn Sie Bezeichnungen verwenden, die vom üblichen Sprachgebrauch abweichen. Also machen Sie das besser nicht. Außer natürlich, Sie möchten, dass Ihr „Schrobenhausener Testament“ den Instanzenzug bis hinauf zum BGH durchläuft, in die Rechtsgeschichte eingeht und vielleicht einmal genauso berühmt wird wie sein Berliner Vorbild.

b) Ein Berliner Testament ist ein gemeinschaftliches Testament. Sie können es nicht allein errichten, sondern im Gesetz steht „Ehegatten“. Als Alleinstehende(r) können Sie leider kein so cooles Berliner Testament errichten. Manche Dinge im Leben gehen eben nur zu zweit.

c) Kern des sogenannten Berliner Testaments ist es, dass sich die Ehegatten zunächst gegenseitig als Erben einsetzen. Stirbt der Mann, dann soll zunächst die Frau alles erben, und umgekehrt. Erst dann, wenn auch der längerlebende (= überlebende) Ehegatte verstirbt, sollen die Kinder (oder ein anderer Dritter) erben, also sog. Schlusserben werden.

d) Das führt dazu, dass die Kinder beim Tod des zuerst versterbenden Elternteils zunächst einmal nichts bekommen, also „enterbt“ werden. Denn nach der gesetzlichen Erbfolge würden sie in diesem Fall ja schon etwas erben, und zwar nicht zu knapp (§ 1924 BGB). Die Kinder können beim Berliner Testament also beim Tod des zuerst versterbenden Elternteils ihren sogenannten Pflichtteil geltend machen (§ 2303ff BGB). Da die Eltern das in der Regel nicht wollen, schreibt man in das Berliner Testament häufig sinngemäß hinein:

„Macht ein Kind beim Tode des zuerst versterbenden Elternteils seinen Pflichtteilsanspruch geltend, so soll es nicht Schlusserbe werden“.

Das Kind hat dann die Wahl: Entweder das Berliner Testament „anerkennen“ und beim Tod des länger lebenden Elternteils dann „alles“ erben, also Schlusserbe werden. Oder beim Tod des zuerst versterbenden Elternteils die Hälfte des gesetzlichen Erbteils als Pflichtteil verlangen, also zwar früher Geld bekommen, dafür aber in der Regel weniger.

8. Steuern und andere Überlegungen/Lebensweisheiten

a) So ein Berliner Testament ist übrigens steuerlich nicht immer die beste Lösung. Aber das wollen wir jetzt nicht weiter vertiefen, sondern da fragen Sie mal besser Ihren Steuerberater, wenn diese Frage für Sie von Belang ist.

Also steuerlich kann es günstiger sein, eine Immobilie nicht erst auf den Ehegatten, sondern gleich auf die nächste Generation zu übertragen und sich nur einen Nießbrauch vorzubehalten. Das hat aber halt den Nachteil, dass dann das Eigentum auch gleich weg ist und die Eltern nur die rechtlich schwächere Position als Nießbraucher zurückbehalten. Da sollte man sich gut überlegen, was einem wichtiger ist: Steuern sparen oder die rechtlich stärkere Position, solange man lebt, behalten.

b) Ich bin ja grundsätzlich der Meinung, dass man die Dinge rechtlich so gestalten sollte, wie man sie gerne hätte. Und die Steuern sind dann eben so wie sie sind. Aber ich verstehe natürlich auch, dass manche, insbesondere Steuerberater, gern „von hinten her“ denken, die Dinge also so gestalten, wie es steuerlich am günstigsten ist. Nur muss man dann halt aufpassen, dass das, was dabei herauskommt, auch noch dem entspricht, was man eigentlich haben wollte.

c) Das ist so ein bisschen wie mit den Schnäppchen im Schlussverkauf: Kaufe ich das, was ich brauche und haben will (meine Einstellung) oder kauft man das, was gerade im Angebot ist, was der Handel also will, dass man es kauft? Auf die Gefahr hin, dass man dann zu Hause lauter billiges Zeugs rumstehen hat, mit dem man eigentlich gar nichts anfangen kann. Stichwort: Ich brauch´s zwar nicht und gefallen tut es mir auch nicht, aber es war halt günstig!

Der Gründer der (nicht ganz billigen) Marke „Patagonia“ soll einmal gesagt haben:

„If you don´t need it, don´t buy it“.

Ein weiser Spruch, wie ich finde.

Aber manche Leute kaufen eben gern um des Kaufens willen, weil ihnen Konsum Spaß macht.

d) Wissen Sie, wie die Amerikaner ihren höchsten Feiertag, nämlich Thanksgiving feiern? Am letzten Donnerstag im November futtern sie ihren Truthahn, am Freitag drauf (Black Friday) gehen sie in die großen Geschäfte (Malls) zum Einkaufen und am darauf folgenden Montag (Cyber Monday) verplempern sie ihr restliches Geld bzw Kreditlimit durch Käufe im Internet. Und an den beiden Tagen dazwischen verstopfen sie Flughäfen und Straßen mit unsinniger Reisetätigkeit. Konsum als Freizeitbeschäftigung. So kann man es natürlich auch machen.

Und wir machen diesen Schmarrn immer mehr mit: Stichwort „Black Shopping Week“. Also meine Eltern hätten mit diesem Begriff nichts anfangen können.

Und das Hauptthema in den US Abendnachrichten (zB nbc Nightly News), gleich nach der aktuellen Massenschießerei, ist, wie man an die besten Thanksgiving Deals kommt. Man könnte fast meinen, dass es sich um eine Dauerwerbesendung der großen Einzelhandelsketten handelt. Aber nein, so ist es nicht. Die großen Fernsehsender bringen das, weil das offenbar die Themen sind, die die Leute am meisten interessieren. Nicht der Krieg in der Ukraine, sondern: Wo finde ich den besten und günstigsten Flachbildfernseher oder den stärksten Akku-Staubsauger? …

9. Und zum Schluss

So, jetzt sind wir ganz schön vom Thema abgekommen. Hat Sie das alles völlig verwirrt und entmutigt? Dann schieben Sie diese ganze Nachfolgeplanung doch noch ein paar Jahre auf und leben Sie einfach weiter. Das Fragen und Drängen Ihrer potentiellen Erben unter dem Weihnachtsbaum blenden Sie einfach aus. Das Endspiel muss noch ein bisschen warten.

Genauso wie die vielen erbrechtliche Ratgeber, die jetzt dann wieder in den diversen Zeitungen erscheinen werden. Blenden Sie es einfach aus. Sie sind der Erblasser. Und solange Sie leben, bestimmen Sie allein, wann Sie sich mit diesem Thema beschäftigen.

Den Erbrechtsanwälten kann es ja eigentlich auch egal sein. Dann verdienen die ihr Geld halt nicht mit Nachlassplanung und Testamentsgestaltung, sondern später mit den Streitigkeiten unter und zwischen den Erben und Möchtegern-Erben. Obwohl ich das mit der vorbeugenden Planung und Gestaltung schon etwas angenehmer finde als das Hauen und Stechen danach, wenn man nichts geplant hat. Aber das muss jeder für sich entscheiden.

Ich wünsche Ihnen eine schöne Vorweihnachtszeit.

Dr. Wolfgang Gottwald
Rechtsanwalt

DR. GOTTWALD
Rechtsanwalt
Attorney at Law

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