Donnerstag, 25. April 2024

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Grober Undank

Weihnachten ist das Fest der Liebe, or so they say. Zu Weihnachten schenkt man sich etwas. Aber was ist, wenn sich der Beschenkte dann während der Feiertage so „arschig“ benimmt, dass er das Geschenk einfach nicht verdient? Darf man es ihm dann wieder wegnehmen, ihn also gewissermaßen „ent-schenken“?

Undrunk, unlove, unfu… – Fletcher, kennen Sie, oder? Egal, tut hier nichts zur Sache.

Wenn Sie einmal Jura studiert haben, so wie wahrscheinlich die meisten Leser hier, dann erinnern Sie sich vielleicht daran, dass es da doch so eine Bestimmung im BGB gibt. Widerruf einer Schenkung wegen groben Undanks.

Sehen wir uns diese Sache doch einmal etwas genauer an. Ist ja Weihnachten, und wir haben ohnehin nichts Besseres zu tun.

1. Der Fall

In guter juristischer Manier gehen wir von einem konkreten Fall aus, so wie wir das aus dem Repetitorium (Hallo Alpmann!) kennen.

Sie sind also am ersten Weihnachtsfeiertag bei Ihrer Tante Agathe eingeladen. Eigentlich waren Sie nie so ein großer Fan von Tante Agathe, aber gut, es ist schließlich Weihnachten. Also haben Sie sich aufgerafft und ein schönes teures Kochbuch besorgt. „Vegan kochen für Frühaufsteher“. Oder wie diese Werke heute halt so heißen. War nicht billig, das gute Stück, also da mussten Sie schon ein paar Scheinchen den Amazonas runter fließen lassen. …

Und dann kommt es, wie es kommen muss – weil wir das jetzt für unseren Fall so brauchen: Tante Agathe verhält sich unmöglich. Sie seien ja nun wirklich der schlechteste Ehemann (respektive die schlechteste Ehefrau), die man sich vorstellen kann. Bringen nicht genug Geld nach Hause, vernachlässigen die Kinder und so weiter. Und als Sie dann auch noch andeuten, dass Agathe´s Weihnachtsbaum ziemlich jämmerlich aussehe dieses Jahr, gibt Sie Ihnen eine schallende Ohrfeige unter selbigem.

Jetzt reicht es Ihnen. Sie sind entschlossen, die 250 Seiten vegane Küche wieder mitzunehmen. Wer sich so verhält wie Tante Agathe, hat Ihr Geschenk nicht verdient.

2. Das Gesetz

Gut, dass Sie einmal 3 Semester Jura studiert haben. Sie erinnern sich an § 530 BGB. Dort heißt es (etwas verkürzt):

Eine Schenkung kann widerrufen werden, wenn sich der Beschenkte durch eine schwere Verfehlung gegen den Schenker groben Undanks schuldig macht.

Und einen Paragraphen weiter, also in § 531 BGB steht:

Ist die Schenkung widerrufen, so kann die Herausgabe des Geschenks gefordert werden.

Na also, denken Sie, das ist es doch. Oder?

3. Die Rechtsprechung

Wir brauchen also eine schwere Verfehlung des Beschenkten gegen den Schenker, so dass man diesem groben Undank vorwerfen kann.

a) Der Widerruf der Schenkung setzt objektiv eine Verfehlung des Beschenkten von gewisser Schwere voraus. Darüber hinaus muss die Verfehlung in subjektiver Hinsicht Ausdruck einer tadelnswerten Gesinnung des Beschenkten sein, die in erheblichem Maße die Dankbarkeit vermissen lässt. Bei der Bewertung ist eine Gesamtwürdigung aller Umstände vorzunehmen.

b) Na gut, das sind jetzt wieder diese allgemeinen juristischen Formeln, die der eine so versteht und der andere anders. Also ran an die von der Rechtsprechung bereits entschiedenen konkreten Fälle:

Bedrohung des Lebens, körperliche Misshandlungen, schwere Beleidigungen – das sind so die Schlagworte.

Einer Tätlichkeit kann geringeres Gewicht zukommen, wenn sie der Schenker provoziert hat. Es kann auch von Bedeutung sein, ob der Beschenkte im Affekt gehandelt hat oder ob sich sein Verhalten als geplantes, wiederholt auftretendes, von einer grundlegenden Antipathie geprägtes Vorgehen darstellt. Stets ist, aber das hatten wir ja schon, eine Gesamtbetrachtung anzustellen.

c) Hilft uns das für unseren Fall wirklich weiter? Ich denke nein. Ich denke, letztendlich kommen wir nicht darum herum, hier unsere eigene individuelle Betrachtung anzustellen.

Ist eine Ohrfeige unter dem Weihnachtsbaum eine körperliche Misshandlung? Naja, vielleicht keine schwere, aber schon eine Tätlichkeit. Der Strafrechtler würde von (einfacher) Körperverletzung sprechen.

Haben wir die Ohrfeige provoziert? Nein, sagen wir mit großer Entschiedenheit!

Hat Tante Agathe vielleicht im Affekt gehandelt? Das wissen wir jetzt nicht so genau. Ein geplantes, wiederholt auftretendes, von einer grundlegenden Antipathie geprägtes Vorgehen werden wir ihr wohl nicht nachweisen können. …

d) Womit wir beim Thema der Beweislast wären. Den groben Undank hat der Schenker zu beweisen, der seine Schenkung widerrufen will.

4. Das Urteil

Also ich leg mich jetzt einmal dahingehend fest, dass ich sage: Die einmalige Ohrfeige in der „angespannten Weihnachtssituation“ stellt noch keine schwere Verfehlung dar, die einen groben Undank im Sinne von § 530 BGB begründet.

Ergo lassen wir die Vegane Küche unter dem Weihnachtsbaum liegen und nehmen uns für das nächste Jahr fest vor, Tante Agathe künftig nichts mehr zu schenken.

Soviel zum Juristischen. Und jetzt hoffe ich mal, dass Ihr Weihnachtsfest etwas harmonischer verläuft. Ich wünsche Ihnen jedenfalls schöne Feiertage.

Wolfgang Gottwald

DR. GOTTWALD
Rechtsanwalt
Attorney at Law

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