Street Art and Graffiti
Manche zahlen dafür Millionen, zum Beispiel für ein Werk von Banksy, und für andere sind es einfach nur Schmierereien. Die Rede ist von Street Art, häufig auch Graffiti genannt.
Ist Street Art Kunst?
Interessante Frage, aber darüber sollen sich andere den Kopf zerbrechen. Kunstkritiker zum Beispiel, oder Kunstsachverständige – oder solche, die sich dafür halten.
Juristisch, also vom Standpunkt des Urheberrechts aus betrachtet, kommt es nicht darauf an, ob etwas „Kunst“ ist, sondern es reicht aus, dass es sich um ein „Werk“ im Sinne von § 2 UrhG handelt. Darunter versteht man eine „persönliche geistige Schöpfung“.
Und was ist eine „persönliche geistige Schöpfung“? Das sagt das UrhG leider nicht. Rechtsprechung und Fachliteratur haben sich, wenn man so will, darauf geeinigt, dass es auf die „Individualität“ der Kreation ankommt, auf die „Schöpfungshöhe“. Das Landgericht München I hat einem Graffiti-Schriftzug die Werkqualität zuerkannt und dazu ausgeführt:
„Bei Betrachtung des Schriftzuges stechen insbesondere die Neigung der Buchstaben, der verlängerte Buchstabe … und die Schlaufe am Ende des Logos ins Auge. Insgesamt zeichnet sich der hier zu beurteilende Schriftzug durch eine verspielt schwungvolle Ästhetik aus …“
„Verspielt schwungvolle Ästhetik“. Na dann. Sind Sie jetzt schlauer? Nein? Macht nichts. Auch Juristen und Gerichte sind sich häufig nicht einig, ob ein bestimmtes „Werk“ urheberrechtlich geschützt ist oder nicht. Die Grenzen sind fließend. Was der eine für genial hält, ist für den anderen nur nichtssagender Alltagsmist. Wie bei der Kunst eben. …
Darf man Street Art einfach wegwischen oder überstreichen?
Nehmen wir einmal an, das „Gemälde“, welches Sie da eines Morgens an Ihrer Hauswand vorgefunden haben, erfüllt den Werkbegriff und ist somit urheberrechtlich geschützt. Müssen Sie es dann dulden oder dürfen Sie es entfernen, zum Beispiel abwaschen?
Rechtlich haben wir hier einen Konflikt zwischen dem Urheberrecht des Schöpfers des Werkes, also des Street Artists, und dem Eigentumsrecht des Hauseigentümers.
Der Urheber eines Werkes hat zwar das alleinige Verwertungsrecht nach § 15 ff UrhG (Verfielfältigen, Verbreiten usw). Er kann sich grundsätzlich gegen eine Entstellung, Änderung oder Zerstörung seines Werkes zur Wehr setzen (§§ 14, 39, 62 UrhG).
Umgekehrt muss der Hauseigentümer Beeinträchtigungen seines Eigentums nicht hinnehmen (§ 903 BGB) und kann verlangen, dass eine Störung oder Beschädigung seines Eigentums wieder beseitigt beziehungsweise rückgängig gemacht wird (§ 1004 BGB).
In der Regel wird dieser Konflikt im Rahmen einer Interessenabwägung dahingehend gelöst, dass das Eigentumsrecht vorgeht. Begründet wird das damit, dass der Graffiti-Künstler dem Hauseigentümer sein Werk gewissermaßen „aufgedrängt“ hat. Der Eigentümer wollte nicht, dass seine Hauswand mit Graffiti bemalt wird. Deshalb kann er jetzt auch verlangen, dass das Gemälde oder der Schriftzug wieder beseitigt wird. Oder selbst zum Schrubber greifen. Das Urheberrecht muss hier also dem Eigentumsrecht weichen.
Fazit: Als Künstler hat man es nicht leicht.
Wolfgang Gottwald