Samstag, 27. April 2024

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Sternchen lügen nicht. Oder doch?

Werbung kann einem manchmal ganz schön auf die Nerven gehen. Da ist einmal dieser Radiospot mit der penetranten, dummdreisten Wiederholung eines bestimmten Müsli-Firmennamens – aber darum soll es hier nicht gehen. Die andere Art von Werbung, über die ich mich aufregen kann, ist die, die den Kunden bewußt täuscht. Hierfür 2 Beispiele:

1. In der U-Bahnstation vor unserem Büro, an der Wand der Tunnelröhre, klebt das Werbeplakat einer Telefongesellschaft. Auf diesem Plakat steht – blickfangmäßig hervorgehoben – ein bestimmter Preis. Euro 19,99 im Monat. An den dick und fett hervorgehobenen Preis angeheftet ist dann ein kleines Sternchen oder manchmal auch eine Fußnote, aber wirklich nur sehr klein. Und noch viel kleiner – in aller Regel kaum lesbar, jedenfalls für Normalsichtige – finden Sie dann am Ende des Plakats – also Sie würden es finden, wenn Sie es lesen könnten – den Hinweis: Gilt nur für die ersten sechs Monate, danach Euro 29,99.

2. Oder: Sie befinden sich (aus einem ganz anderen Grund) in einem Telefonat mit Ihrer Telefongesellschaft, bei dem Ihnen die Dame mit der rauchigen Stimme am anderen Ende der Leitung  dann ganz beiläufig mitteilt, dass Ihr alter Tarif ja viel zu teuer ist. Man hätte da etwas ganz Neues, XL, größer, schneller, mit ganz erstaunlichen Sonderkonditionen. All Inklusiv, also Allnet Flatrate, versteht sich. Nur Euro 37,77 im Monat.

Gutgläubig wie man als Mann nun einmal ist, beißt man an und entscheidet sich für eine Tarifumstellung. Misstrauisch aber, wie man als Anwalt eben zuweil auch ist, wirft man dann doch einen kurzen Blick auf die per E-Mail übersandte Auftragsbestätigung. Und was soll ich Ihnen sagen? Natürlich gilt dieser Supertarif nur für die ersten sechs Monate und erhöht sich danach um satte Euro 15 pro Monat. Damit ist die Tarifumstellung leider keineswegs mehr attraktiv.

Auf diesen Umstand hatte Sie die Mitarbeiterin am Telefon aber nicht hingewiesen. Gut, Sie hatten auch nicht explizit danach gefragt, weil Sie die Angabe „Euro 37,77 € im Monat“ eben so verstanden hatten, dass dieser Preis für die Vertragslaufzeit oder zumindest für die Mindestlaufzeit gilt.

3. Also mal ganz ehrlich: Liege ich hier völlig daneben oder halten Sie das auch für eine Art von Betrug? Wenn bei einer Mindestvertragslaufzeit von 24 Monaten der fett hervorgehobene Preis nur für die ersten sechs Monate gilt und sich danach ganz erheblich erhöht, dann darf man das doch nicht nur beiläufig in einer kleinen Fußnote angeben oder am Telefon ganz verschweigen. Oder wie sehen Sie das?

Der Preis beträgt dann doch eben nicht Euro 19,99 beziehungsweise Euro 37,77 im Monat, sondern dieser Preis gilt nur für einen verhältnismäßig kurzen Zeitraum. Wo liegt denn da die Grenze? Darf ich diesen Sonderpreis auch dann fett hervorheben, wenn er nur für drei Monate gilt, oder nur für einen Monat, oder nur für eine Woche, oder nur für einen Tag oder nur für 1 Stunde? …

4. Meines Erachtens muss man die Preisangabe im Hinblick auf die Mindestvertragslaufzeit sehen. Wenn bei einer Mindestvertragslaufzeit von zwei Jahren ein Sonderpreis nur für sechs Monate gilt, wäre es meines Erachtens richtig, fett hervorgehoben den Preis anzugeben, der für die 18 Monate gilt. Man kann dann ja gern in Form eines kleinen Sternchen oder unten in der Fußnote angeben, dass die ersten sechs Monate günstiger sind.

Das macht natürlich kein Unternehmen, weil das Unternehmen ja weiß, dass kein Kunde diese kleinen Sternchenangaben wirklich zur Kenntnis nimmt. Aber wenn dem so ist, dann ist diese Vorgehensweise doch eine bewußte Täuschung, Irreführung, ja Betrug.

Oder muss man das anders sehen? Muss man tatsächlich bei jeder Werbeanzeige automatisch unterstellen: Vorsicht, was da steht, stimmt sowieso nicht beziehungsweise gilt nur für einen kurzen Zeitraum, nur unter ganz besonderen Umständen, nur für bestimmte Personen und so weiter und so weiter?

5. Was sagt denn das Gesetz dazu?

In § 5 UWG kann man lesen: Unlauter handelt, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt.

Und § 5a UWG ergänzt: Bei der Beurteilung, ob das Verschweigen einer Tatsache irreführend ist, sind insbesondere deren Bedeutung für die geschäftliche Entscheidung nach der Verkehrsauffassung sowie die Eignung des Verschweigens zur Beeinflussung der Entscheidung zu berücksichtigen. Unlauter handelt, wer dem Verbraucher eine Information vorenthält, die im konkreten Fall wesentlich ist.

Jetzt frage ich Sie: Ist der Preis wesentlich oder unwesentlich? – Ich würde sagen: wesentlich.

Ist die Geltungsdauer eines Preises wesentlich oder unwesentlich? – Ich würde sagen: wesentlich.

Oder, etwas sachlicher: Schaut ein Verbraucher bei einer Werbeanzeige auf den fett hervorgegebenen Preis oder auf den kaum lesbaren Sternchenhinweis am Ende des Inserats oder Plakats? – Ich würde sagen: Man schaut auf den fett hervorgehobenen Preis. Das weiß und will der Werbetreibende auch, denn genau deshalb rückt er diesen Preis ja auch in die Mitte des Blickfeldes, also in den sog. Blickfang.

6. Und was sagt die Rechtsprechung?

a) In einem Urteil des OLG Köln vom 22.6.2012 (Az 6 U 238/11) heißt es dazu, weitgehend unter Berufung auf eine frühere Entscheidung des BGH (GRUR 2010, 744) zur Preisangabenverordnung:

Sternchenhinweise … erfüllen die Funktion, einen Teil der Werbeaussagen in einen anderen Bereich der Werbung, in aller Regel in Fußnoten, zu verlagern. Diese Funktion könnten sie allenfalls in Ausnahmefällen erfüllen, wenn die Sternchenhinweise selbst am Blickfang teilnehmen, also ebenso prominent herausgestellt sein müssten wie die Werbeaussage selbst. Es macht nämlich … keinen Sinn, Bestandteile von Werbeaussagen in Fußnoten zu verlagern, wenn diese ebenso groß und auffällig dargestellt werden müssen, wie die übrige Werbeaussage, zu der sie gehören, selbst.

Eine abweichende, nach Meinung des Senats zu strenge Auffassung würde das den Werbenden eingeräumte Recht, für die notwendigen ergänzenden Preisangaben Sternchenhinweise zu verwenden, weitgehend unterlaufen. Der Senat sieht sich in dieser Auffassung im Einklang mit der Rechtsprechung des BGH. Dieser hat … nicht formuliert, der Hinweis selber, sondern nur “der Sternchenhinweis” müsse am Blickfang teilhaben. …

7. Fazit

Diese Rechtsprechung besagt im Kern nichts anderes als: Es reicht, wenn das Sternchen im Blickfang steht. Das, worauf das Sternchen verweist, der eigentliche Inhalt der Sternchenangabe dagegen kann getrost irgendwo im Kleingedruckten untergehen.

Ist das verbraucherschützend? – Ich würde sagen: NEIN! Meine „Forderungen“ wären vielmehr:

a) Sternchenangaben oder Fußnoten, die nicht lesbar sind, sind nicht in Ordnung und daher unbeachtlich.

b) Wenn ein Plakat in einem U-Bahnhof auf der anderen Seite der Gleise angebracht ist, dann müssen die Angaben in den Fußnoten auch aus einer Entfernung von 2 bis 3 Metern noch lesbar sein. Denn man kann ja schlecht vom Betrachter verlangen, dass er ins Gleisbett steigt, um die Fußnoten zu entziffern.

c) Sternchenangaben dürfen den Kern der blickfangmäßig herausgestellten Angabe nicht wesentlich abändern. Hier sollte eine Art „AGB-Kontrolle“ stattfinden. Das Kleingedruckte darf auch nicht überraschend oder intransparent sein, und es darf dem wesentlichen Inhalt der (blickfangmäßigen) Hauptaussage der Werbeanzeige nicht widersprechen. Anders ausgedrückt: Der Blickfang geht vor.

d) Mein genereller Appell wäre: Bitte mehr Redlichkeit bei Werbeanzeigen!

e) Alternative zum Zweck des Selbstschutzes: Wann immer Sie eine Werbung mit Sternchen oder Fußnoten sehen, ignorieren Sie diese, streichen Sie sie aus Ihrem Bewusstsein und heften Sie sie mental ab unter „Werbelüge“.

f) Dasselbe gilt übrigens für alle „ab“-Preisangaben, zB ab € 490. Für € 490 bekommen Sie den Flug um 4 Uhr morgens, nur Dienstags, mit zweimal Umsteigen (Zwischenstopps) und – bei einer 4-wöchigen Fernreise – nur 1 Handgepäckstück. Der Direktflug zu normalen Zeiten und normalen Rahmenbedingungen kostet dann locker das Dreifache. Also ignorieren Sie alle ab-Preisangaben, blenden Sie die dort genannten Zahlen völlig aus. Das sind reine Lockvogelangebote, für normale Zwecke völlig unbrauchbar.

Und schließen Sie keine Verträge am Telefon ab. Beziehungsweise, wenn Sie sich dazu haben hinreißen lassen, schauen Sie sich die schriftliche Auftragsbestätigung ganz genau an und machen Sie ggf. von ihrem Widerrufsrecht Gebrauch. Vor allem dann, wenn Sie den Eindruck haben, dass man Sie bewußt täuschen wollte.

Ach ja, und kaufen Sie nicht dieses „Deppenmüsli“!

Dr. Wolfgang Gottwald
Rechtsanwalt

DR. GOTTWALD
Rechtsanwalt
Attorney at Law

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